Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

gewöhnlichen Gespräche der Glaubensgegner mit ruhigem Auge und unbeweglichen Herzen, ohne sich im mindesten zu stoßen oder irre machen zu lassen, weil sie diese Irrtümer kennen ... 220 " Ketzerei köne also den Gebildeten nicht gefährlich werden, schädlich könnten aber in der Auffassung Eybels und seiner Gesinnungsfreunde päpstliche Erlässe werden, die das Dogma betreffen221 . Unfehlbare Dogmen könnten dem Staat zwar nicht widerstreiten; das hingegen, was nach dem gesunden Licht der Vernunft, dem natürlichen Endzweck des Staates widerstrebe, das könne auch nie eine Glaubenswahrheit sein222 . Das Jahrhundert erlebte Streit um die berühmte Abendmahlsbulle In Coena Domini (endgültige Fassung 1627)22 3 und um die antijansenistische Bulle Unigenitus224 , über die in der josephinischen Zeit an den Universitäten nicht diskutiert werden durfte, weil dies die Ruhe des Staates offenbar gestört hätte. Solches ging etwa der aufgeklärten skeptisch-protestantischen Allgemeinen deutschen Bibliothek225 noch immer nicht weit genug; ihre antiliberale Tendenz ging dahin, ein italienischer Bischof (der Papst) habe in fremden Landen überhaupt nichts mitzureden, Schriften wie die genannte225 möchten eben weder dem Papst noch dem Landesherrn weh tun, was aber ein krasses Fehlurteil des Berliner Rezensenten darstellte. Worin sind nun eigentlich die Diener der Kirche, die Priester und Bischöfe, vom Landesfürsten unabhängig? Streng genommen, in nichts. Selbst in denjenigen Handlungen, die zum ewigen Heil unumgänglich notwendig sind und somit eigentlicher Bereich der Kirche sein sollten, also Lehren, Evangelium predigen, Sakramente spenden226 , kann der Landesfürst dreinreden, wie es eben sein Interesse erfordert. Es ist eine Augenauswischerei, wenn Eybel überhaupt noch vorgibt, die Kirche wäre in ihrem wesentlichen Bereich höchste und unabhängige Macht. Man wird wenig später fragen, was geschehen würde, wenn der Kaiser exkommuniziert würde227 . Die Antwort war: Nichts, oder noch mehr: „Aus vollem Halse lachen228 . " Der Leser möge das selbst mit dem auf den letzten Seiten Gesagten verbinden. 220 Einleitung II, S. 135. 221 Vgl. Einleitung II, S. 155 ff.; III, S. 232 - 238 . 222 Dabei beruft er sich (Einleiwng II, S. 116 f.) auf Martini, Posit. de jure civil. § 213, 217. 223 LThK 21, Sp. 32. 224 LThK 2X, Sp. 499 f. 225 Vgl. die Rezension AdB 55. Bd., 1. St., 1783, S. 257 der Wiener Schrift: Ueber das Recht der Landesfürsten in Betref der dogmatisd,en Bullen. Wien: Sonnleithner 1781, 26 S. - Vgl. dazu auch WRealZ 1781, S. 705 - 709. 226 Einleit1mg II, S. 138 . 227 Was wäre dann zu th,m, wenn der Kaiser exkommuniziert würde. 1782. Expl. StB St. Florian IX 2535. Verfasser ist Johann Rauttenstrauch. 228 Hildebrandt, S. 56. 85

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