Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

die Obersteigerung der landesherrlichen Gewalt, die ein letzter Höhepunkt barocker Mentalität war und echter Aufklärung entgegengesetzt ist, nach heutigem Standpunkt nicht im geringsten gerechtfertigt werden. Männer wie Eybel waren Fortschrittshemmer, Zementierer der alten Ordnung, wie sie nach 1848 Besserem Platz machen mußten. Hatte barockes Denken aber noch Kirche und Staat in grandioser, die Menschen der Zeit beglückender und bergender, Schutz und Sicherheit und Ort im Kosmos gebender Weise geschaut, so ist die säkulare josephinische Fortentwicklung dieser Sicht zu einseitig, um qualitativ noch mit barocker Schau sich messen zu können. Das System hatte noch servilere Kreaturen als die Zeit vor diesem Josephinischen Staatskirchentum. Führen wir indes die Rechte des Landesfürsten noch ein wenig aus. Eybel haßte die Scholastik. Das taten praktisch alle Aufklärer. Auch nüchternere Männer, wie etwa Zallwein (s. oben) oder der Fürstabt von St. Blasien, Martin Gerbert217 , lehnten die Scholastik und ihre Auswüchse ab. Derjenige Geist, der die multibändigen Foliantenreihen barocker Summen hervorgebracht hatte, die kleinste Details berücksichtigende Akribie im Schreiben (und Abschreiben), wie sie das Barock kannte, ging der aufs Grundsätzliche gerichteten Denkweise der Aufklärung ab. Wenn ein einziger kritischer Satz den Wert des ganzen barocken Denkens umstoßen konnte, warum noch dicke Bücher schreiben? Alles läßt sich deutlich, licht und kurz abfassen. Nach Eybel hätte der Landesfürst „die Pflicht, leere Schulfragen auszurotten, die sich unter der Menge der Scholastiker ohne allen Nutzen der Religion, der wahren Wissenschaft und des Staates immerfort hervortun". übrigens hätten die Monarchen (!) dieses Recht nach dem ruhmwürdigen Rauttenstrauch'schen Studienplan „zu ihrer unsterblichen Ehre ausgeübt218 ". Daß das tolerante Zeitalter manchen Büchern gegenüber intolerant sein konnte, wissen wir; in dieser Geisteshaltung steht auch Eybel, der dafür plädiert, alle Bücher, die nur mit „eitlen Fabeln" oder mit Dingen, die der Wahrheit nicht getreu seien, ,,die sich zwar mit dem Mantel des Seeleneifers schmücken", zu verbieten219 . Ketzerische Bücher seien weniger gefährlich als solche - gemeint konnten nur die barocken Andachts- und Heiligenbücher sein, gegen die Eybel ein gutes Jahrzehnt später einen vierhändigen Angriff richtete. Ketzer seien gar nicht gefährlich: ,,Leute, die einigen Grad von Witz und Verstand besitzen, lesen gemeiniglich die 217 Vgl. etwa A. Deissler, Fürstabt Martin Gerbert von St. Blasien und die theologische Methode ... München 1940 ( = SM, Erg.-Heft 15) . 218 Einleitung II, S. 134 f. 219 Einleitung II, S. 135 f. 84

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