Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

5. auch in die wesentlichen Handlungen der Kirche Einsicht zu nehmen, daß von jemanden über die Grenzen der zum ewigen Leben notwendigen Glaubenssätze, Sittenlehren und bestimmte Heilsmittel auch andere der Ruhe und dem Besten des Staates entgegen streitende Lehren unter dem falschen Vorwande der Religion nicht eingeführt werden, 6. die Gelübde und geistlichen Verträge der Bürger und Staatsglieder zu untersuchen und, sollten sie dem Staat schädlich befunden werden, sie nicht nur zu verbieten, sondern auch zu vernichten, und gleichwie 7. die Kirche das Recht hat, Hindernisse der Ehe, insoweit sie ein Sakrament ist, zu bestimmen, so kommt auch das Recht dem Fürsten zu, Hindernisse der Ehe, insoweit sie zugleich ein bürgerlicher Vertrag ist, festzusetzen213." 8. könne der weltliche Regent nach Eybel dafür sorgen, daß keine Ketzereien entstünden. Für diesen Zweck dürfe er - da das Recht zum Endzweck auch das Recht zu den Mitteln geben müsse - Konzilien einberufen, die Stimmen der zerstreuten Bischöfe sammeln; jene, welche die wahre Religion bestritten, brauche er nicht dulden und könne sie strafen. Er dürfe auch Religionsgespräche einleiten214 , theologischen Streitigkeiten ein Ende machen und schädliche Bücher verbieten215 • Aus diesen Zeilen geht hervor, wie sehr dieses Eybel'sche System gegen die aufkommende Ideen wahrer Aufklärung, von der Duldung, Toleranz und Freiheit bis hin zur dogmatischen Willkür ist. Wie wird doch hier gegenüber früherem Kirchenrecht, das die Freiheit der Kirche im Staat betonte, eine reaktionäre, vollständige Unterwerfung vollzogen, ja echter Totalitarismus zementiert. Fortschrittsglauben, der der Aufklärung eignet216 , ist hier ad absurdum geführt: Eybel ist in der vollen Gewißheit, am Gipfel der möglichen Wahrheitserkenntnis über Wesen der Kirche und Inhalt des Kirchenrechts angelangt zu sein, so wird dieses Kirchenrecht und das der Nachfolger fortschrittshemmend. Das Kirchenrecht wird sich, losgelöst von den Quellen, in sich geschlossen dogmatisch zuspitzen und ideologisch bis hin zur Sterilität verhärten, was den Katholiken gegen Ende des Vormärz bitter bewußt war. Es zeugt für die politisch bedingte Liberalität der Kirche um 1800, daß diese Richtung nicht mehr als durch ein paar Indizierungen gebrandmarkt worden ist. Wenn wir Febronius noch durchaus wertvolle Anregungen zugestehen müssen, des Papsttums übertriebene Ansprüche gesehen und kritisiert zu haben, wenigstens deren historische Gewordenheit im Prinzip erkannt und herausgestrichen zu haben, so kann 213 Einleitung II, S. 111 f. § 105. 214 So ist ,Unterredungen anstellen', Einleitung II, S. 129, 133 zu verstehen. 215 Einleitung II, S. 129 § 106. 216 Vgl. K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953 ( = Urban-Taschenbücher 2) passim. 83

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2