Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

Sitten, und Gebräuche im Mittelalter überhand genommen, als aus Päbsten Wüteriche, aus Bischöffen Soldaten, aus Geistlichen Käufer, und Verkäufer, aus Mönchen Kirchenbeherrscher geworden, und alles bunt über Eck zugegangen ist, da war freylich die Unwissenheit allgemein, das Laster eine Gewohnheit, und die Tugend ein Mirackel .. ." (S. 9). Der römische Hof suche sich in höchstem Maße monarchisch zu erhalten; wie sollte er da Konzilien befördern, wo Aristokratie herrsche, oder wo er sich gar, wenn man den Doktoren Sitz und Stimme gäbe, auf demokratische Spielregeln einlassen müßte? Ein echtes, ordentliches Konzil müßte die ganze Gestalt der Kirchenverwaltung umändern. Aber das wäre notwendig; das Papsttum müsse „herabgestimmt werden" (S. 21 ff .). Eigentlich sei ja die Kirche eine Republik, der Papst ein Vorsitzender, aber nicht im mindestens einer, der ohne Einstimmung der übrigen Stände etwas zu bestimmen hätte (S. 25). Ultrascharf werden natürlich die Abschaffung der Orden gefordert (S. 29 - 43), ein besserer Klerus (S. 43 - 62) ohne Zölibat (S. 60 - 62) und intensivere Wissenschaften (S. 63 ff.), die man als redlicher Zeitgenosse vor allem dem Verfasser des Schreibens hätte wünschen müssen . Typisch in seiner Abhängigkeit von Eybels Kirchenrecht ist eine Schrift des Wiener Kapuziners und persönlichen Freundes und Proteges Eybels, P . lnnozenz Feßler, der später apostasierte und als Ignatius Aurelius Feßler eine Zelebrität war3 14 . Sicher war der ehrgeizige, geistig rege, aber mit dem Klosterleben unzufriedene Feßler glücklich gewesen, Eybels Gunst erworben zu haben. Sein erstes Werk, Was ist der Kaiser?315 - es erschien um den 18. September 1782 316 - spiegelt genau Eybels Ansichten in zugespitzter, knapper Weise. Entsprechend freundlich fiel auch die Rezension in der Eybel stützenden Wiener Realzeitung317 aus . Feßler stellte vier Grundsätze auf: 1. Der christliche Regent ist in bloß geistlichen Dingen ein Sohn der Kirche und ihr darin Gehorsam schuldig. 2. Der Regent hat seine Gewalt in zeitlichen Dingen unmittelbar von Gott. 3. Er ist unmittelbar von Gott gesetzt, über die Kirche zu wachen, Mißbräuche und Unordnung in Religionssachen abzustellen und auf die Beobachtung der Kirchensatzungen zu dringen. 314 Peter F. Barton, lgnatius Aurelius Feßler, 1969 (LV!) - eine umfangreiche und gründliche Studie - leidet an einem höchst bedenk lichen unkritischen Verhältnis zum aufgeklärten Zeitgeist unter Joseph II., was indes auf den entschieden prot. Standpunkt des Autors zurückzuführen sein mag. 315 ... Verfaßt von einem Kapuziner-Mönch. Herausgegeben von Feßler. Ers tes Stück. Wien, Bey Johann Georg Weingand. 1782. 82 S. .. . Zweytes Stück, ebd., S. 83 - 172. - StB Kremsmünster BfA 4. 316 ProvN Nr. XXV v. 25. 9. 1782, S. 376. 317 WRealZ 1782, S. 519 - 524. 103

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2