9. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1879

17 O Eroberer von Brutus’ Albion, der Du durch Geburt und freie Wal gesetzlicher König bist, Dir sende ich dieses Lied, und Du, der Du all meine Sorge mildern kannst, gedenke meiner Bitte! Chaucer’s Bittgedicht hatte Erfolg, denn am 3. October fügte Heinrich IV. vierzig Mark jährliche Pension zu den zwanzig Pfunden hinzu, welche der Dichter noch von Richard II. herbezog. Doch der Genuss dieser königlichen Schenkung war ihm nicht lange gegönnt. Er starb ein Jahr später, Ende October 1400, nachdem er schon einige Monate vorher krank gelegen hatte. So ist Chaucer’s Klage an seine Börse aller Wahrscheinlichkeit nach das Letzte was der grosse Dichter geschrieben. Welch bittere Ironie liegt in dem Gedanken, dass dies der Schwanengesang des „Morning star of Englisch song“, wie Tennyson Chaucer heisst, des „Vaters der englischen Dichtkunst“, wie die Literarhistoriker ihn gerne nennen. Be heavy again, or elles mote I dye ! Die lyrische Dichtung England’s im XIV. Jahrhundert hat, soviel davon bekannt ist, vornehmlich die Minne, Religion oder politische Ereignisse zum Vorwurfe. Chaucer’s lyrische Gedichte machen hievon keine Ausnahme. Wir besitzen zwar kein rein politisches Gedicht von ihm, wol aber Liebes¬ lieder und religiöse Gedichte. Als erstere sind vor allem das Compleynt to Pité (II) und das Compleynt of Mars and Venus (IV) anzusehen ; als letztere erweisen sich auf den ersten Blick das A. B. B. (I) und die Oratio (VII) Wichtig für die Lebensgeschichte des Dichters sind: Chaucer's Words unto his own Scrivener (V), L'Envoy de Chaucer a Scogan (VIII), L'Envoy de Chaucer a Bukton (IX), Ballade sent to King Richard (XII) und The Compleynt of Chaucer to his Purse (XIV). Sozusagen als Ausdruck allgemeiner Lebensweisheit können gelten: Aetas Prima (III), Good Council of Chaucer (VI), Prosperity (X), A Ballade (XI) und die Ballade de Visage sauns Peynture (XIII). Was die Form aller dieser Gedichte anbelangt, so ist ihnen der fünf¬ mal gehobene Vers in strophischer Gliederung gemeinsam, und zwar sind nicht weniger als 8 (II, V, VI, VII, VIII, XI, XII, XIV) der vorliegenden 14 Stücke in der siebenzeiligen Strophe mit dem Schema ab ab bec und 5 (I, III, IX, X, XIII) in der achtzeiligen Strophe mit den Reimen ab ab be be verfasst. Als Abweichungen von dieser allgemeinen Erscheinung sind anzuführen das Compleynt of Venus (IV B), welches ebenfalls aus achtzei¬ ligen Strophen, aber mit den Reimen ab ab be cb besteht und das Compleynt of Mars (IV A), welches in der bei Chaucer seltenen *) neunzeiligen Strophe *) Die Klage der Anelyda in dem Fragmente Of Queene Anelyda and False Arcyte (Morr. V, 196) ist ebenfalls in der neunzeiligen Strophe.

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