2. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1974/75

durch Arbeit an sich selbst und durch Übung erreicht bat), so meinen wir auch hier nicht eine bloß naturhafte Unmittelbarkeit, ,sondern ein wesentlich geistiges Gelingen. Die Möglichkeiten des Verhältnisses zur Natur außerhalb des Mensd1en in unmittelba rem Aufgehen, abstrakter Entfremdung und vernünftiger Einheit wie,derholen sich aber hier und spitzen sich zu i n praktischer Hinsicht als das Verhältnis zu unserem eigenen Leib, in dessen Lebensgefühl wir beinahe aufgehen oder gegen den wir uns entfremden können, und mit ·dem wfr, als anzustrebendes Ziel und immerwä hren:de Aufga,be, in geistig bewältigter Ei nh eit von Denken und Natur leben sollen. Diese Spannung zwischen bloß naturhaftem Vollzug, möglid1er Ent- fremdung und gelu ngener geistiger Überhöhung bis in die Sinnebene des Glaubens zeigt K. Rahner sehr schön an dem alltäglichen Beispiel ,des Essens: ,,Durd1 unser dauerndes Reden und Schreiben über die d1emisd1-physio- log-ische Seite unseres Essens und Trinkens sind wir in Gefahr, diesen all- täglichen und ,doch so geheimnisvollen Vorgang nur zu sehen als eine Art von ,Ta n,ken' von physisd1er Kraft, damit die Maschine unseres Leibes wieder weiterlaufen kann. Wo aber ,der Mensch wirklich al,s Mensd1 ißt und nicht wie ein Tier frißt , ist ·das Essen eine Angel egenh eit -des ganzen Menschen und muß es auch so sehr sein, daß , wo dieses Ganzmenschliche des Essens nicht mehr gewahrt ist, sogar das Physiologische dieses Vorgangs zu Schaden kommt . Es gibt ja kaum etwas Geheimnjsvolleres als die Nahrung: •die Ver- warndlung des Toten in das Leben 1 dige, ,die Anverwandlung des Fremden in das Eigene, die Einfügung e ines Seienden unter Bewahrung se in es Eigenen in eine höhere und umfassendere Wirklichkeit. Nur wer meint, das Leben sei nur ein medrnnisch kompliziertes Ge füge der bloß d1emisch-physikalischen Wirklichkei t, kann sich über diese Verwandlung nicht wundern. Und im Mensdien ist diese A□ verwam:llung die in das Mensdilid1e, in die Wirklid, - keit, die zu sich sel bst gekommen ist, bei sich ist, über sid1 selbst verfügt und in der die Welt zu sid, selbst kommt . . . (Das Mahl) wird Symbol, nein - realer Vollzug der li ebe nden und vertrauenden Einheit der Essenden untereh,ander, weil diese sid1 gegense iti g zu lassen zum gemeinsamen Grund ihres Daseins. der leiblidien Nahrung, weil sie, indem sie teilen, sich gegen- se itig mitteilen. So aber wird dann aud, das Mahl zum Zeichen jener letzten Einh eit des Mensdien, die ihre Vollendung ausmad,t ..." In ähnHd1er Weise ist auch -die leiblid1-ge-istige Liebe zwischen zwei Menschen nid,t gleidizusetzen mit unmittelbar tierisd1em Ineinanderstürzen der Geschlechter, aber aud, der weiß nicht, was Liebe ist und sein kann in der Entfaltung alb· ihrer leiblich-geisti gen Sinnmöglidikeiten, der dem eige- 11en Leib und dem des Du äußerlich entfremdet gegenübersteht, weil er abstrakt den Leib, nun als einen beliebigen gegenständlid,en Körper, von dem, was der Mensd, als ein geistiges Subjekt ist, abgetrennt hat und jetzt nicht mehr i mstande ist, das natürlich Leibhafte in die Wirklichkeit einer konkreten, den ganzen Mensd1en umfassenden Liebe aufzuheben. Und wäh- rend die Scham Ausdruck der Furcht ist, am Ende dod1 bloß als ein solcher Gegenstand genommen zu werden, im Gegensatz zu wahrer Liebe, die immer den ganzen Mensd1en meint, ist die Angst der Neurose und das Versagen des Körpers der Ausdruck einer unversdiuldet oder verschuldet fixierten Ab- straktion, und ihre Heilung ist erst die Wiederherstellung des e-inen und 24

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