Amtsblatt 1896/25 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 18. Juni 1896

2 ausschlaggebenden Verhältniszahl der Unfälle, welche dauernde Erwerbsunfähigkeit zur Folge hatten. Hiezu kommt noch, dass die Fälle der durch Unfall verursachten dauernden Erwerbsunfähigkeit bei den land¬ wirtschaftlichen Maschinenbetrieben im allgemeinen viel chwerere sind, als bei den gewerblichen Betrieben, weil bei den ersteren Fälle des gänzlichen Verlustes einer Gliedmasse viel häufiger vorkommen. Während in den drei Jahren 1891 bis 1893 bei den gewerblichen Betrieben unter je 100 dauernd Erwerbs¬ unfähigen nur 4° gänzlich Erwerbsunfähige waren, belief sich diese Ziffer bei landwirtschaftlichen Betrieben auf 8““ Dass der Grad der Erwerbsunfähigkeit bei den durch landwirtschaftliche Maschinen Verletzten im allgemeinen ein höherer ist, ergibt sich daraus, dass die theilweise Erwerbs¬ unfähigen bei diesen Betrieben im Durchschnitte circa 51%, bei den gewerblichen Betrieben aber nur circa 34% ihrer Erwerbsfähigkeit eingebüßt haben. Unter diesen Verhältnissen war das Entschädigungs¬ erfordernis, welches die Unfallsversicherungs=Anstalten zu prästieren hatten, bei den landwirtschaftlichen Maschinenbe¬ trieben naturgemäß ein über den Durchschnitt aller Betriebe weit hinausgehendes und konnte durch die Einnahmen an Versicherungsbeiträgen nach der bis zum Jahre 1894 in Kraft gestandenen Gefahrenclasseneintheilung bei weitem nicht gedeckt werden. In welchem Maße die von den Unfall=Versicherungs¬ anstalten aus der Versicherung der landwirtschaftlichen Maschinenbetriebe vereinnahmten Versicherungsbeiträge ge¬ genüber der Belastung durch die bezüglichen Unsälle zurück¬ bleiben, zeigen die nachstehenden Zahlen. Es betrugen bei allen landwirtschaftlichen Maschinen¬ betrieben in den Jahren 1890 bis 1894: Die Belastung durch Die Versicherungsbeiträge Unfälle des Jahres je: je: 1890 47.149 139.282 1891 58.403 162.025 1892 71.623 156.544 1893 72.889 164.998 1894 84.371 222.954 zusammen 334.435 845.803 Im Einzelnen betrugen in den 5 Jahren 1890 bis 1894 zusammen bei den die Belastung die Versicherungs= durch Unfälle des beiträge je: Jahres je: Göpel= Dreschmaschinen: 100.747 173.828 84.356 dto. Dampf¬ 188.014 Göpel=Dresch= und Futter¬ schneidemaschinen (com¬ 62.265 195.492 binierte Betriebe): Göpel = Futterschneidema¬ 175.888 47.169 schinen * „ „ Es wären demnach im Durchschnitte der 5 Jahre 1890 bis 1894 zur Deckung des Erfordernisses bei Unfällen in landwirtschaftlichen Maschinenbetrieben (von dem Verwaltungsaufwande ganz abgesehen) ein Betrag von 5 fl. 59 kr. für je 100 fl. der versicherten Lohnsumme (von zusammen 15·13 Millionen Gulden) er¬ forderlich gewesen, daher, wenn man auch nur den mäßigsten Verwaltungskostenzuschlag macht, ein Beitragssatz, welcher auch über die Ansätze der XII. Gefahrenclasse des geltenden Tarifes hinausgeht, während auf Grund der vormaligen Gefahrenclasseneintheilung thatsächlich nur ein Beitrag von durchschnittlich 2 fl. 21 kr. für 100 fl. Lohnsumme, also ein gänzlich unzureichender Beitrag gezahlt wurde. Diese Ziffern ließen sich noch im Einzelnen weiter verfolgen, es sei hier nur erwähnt, dass sich das Missverhältnis bei den Futter= (Häcksel=) Schneidemaschinen am crassesten stellt, indem hier ein Beitrag von mehr als 113/8 der Lohnsumme erforderlich gewesen wäre. Am günstigsten ist das Verhält¬ nis bei Göpel=Dreschmaschinen, aber auch hier war noch ein Beitrag von circa 4 % der Lohnsumme erforderlich. Bei der durch § 14 des Unfallversicherungsgesetzes vorgeschriebenen ersten Revision der Gefahrenclassen=Einthei¬ lung durften diese Verhältnisse nicht unberücksichtigt bleiben, und musste demnach eine entsprechende Erhöhung der Ge¬ fahrenclassen ins Auge gefasst werden. In diesem Sinne erfolgte (in Uebereinstimmung mit dem Gutachten des einen Vertreter landwirtschaftlicher Interessen zu seinen Mitgliedern zählenden und überdies durch einen von der k. k. Landwirt¬ schaftsgesellschaft in Wien nominierten Fachmann verstärkten Versicherungsbeirathes) die Festsetzung der Gefahrenclassen für landwirtschaftliche Betriebe in der Ministerial=Verord¬ nung vom 20. Juli 1894, R.=G.=Bl. Nr. 167. Die verhältnismäßig große Zahl von Unfällen bei diesen Betrieben erklärt sich einerseits aus der Gefährlich¬ keit der betreffenden Maschinen selbst, und daraus, dass vielfach ungeübte Personen bei der Bedienung derselben verwendet werden; andererseits muss mit dem Umstande ganz besonders gerechnet werden, dass nur die der Gefahr des Maschinenbetriebes selbst ausgesetzten Personen zur Versicherung herangezogen sind, während in gewerblichen Betrieben die Versicherungspflicht sich auf alle, also auch auf die weniger gefährdeten Arbeiter des Betriebes erstreckt, wodurch sich die Kosten der Versicherung für die bei land¬ wirtschaftlichen Betrieben zu versichernden Personen ganz wesentlich erhöhen. Es muss hier auch dem Einwande begegnet werden, dass bei der Durchführung der Versicherung der Kreis der bei landwirtschaftlichen Maschinen zu versichernden Personen zu weit ausgedehnt werde. In dieser Richtung wurde unter anderem behauptet, dass nur der „Einleger“ bei der Maschine einer Gefahr ausgesetzt sei. Die Erfahrungen der Unfall¬ versicherungs=Anstalten widerlegen dies. So geht z. B. aus den statistischen Aufzeichnungen für das Jahr 1894 hervor, dass von den 477 Unfällen bei den in Rede stehenden Betrieben, welche zu einer Entschädigungs¬ leistung Anlass gaben, nur 305 bei der Arbeits maschine selbst vorkamen, dagegen 34 unmittelbar beim Motor, 75 bei den Transmissionen, 63 Unfälle wurden durch andere Umstände als: Zusammenbruch, Fall 2c. veranlasst. Eine Beschränkung der Versicherungspflicht auf eine bestimmte Person oder auf eine von vornherein ziffermäßig begrenzte Anzahl von Personen wäre ungesetzlich, da die Versicherungsanstalten durch das Gesetz verhalten sind, für alle bei landwirtschaftlichen Maschinenbetrieben vorkommenden Unfälle Entschädigungen zu leisten, von denen Personen be¬ troffen werden, welche „der mit dem gesammten Maschinen¬ betriebe verbundenen Gefahr“ ausgesetzt sind. (§ 1, 4. Ab¬ satz U.=V.=G.). Wenn dem Obigen zufolge die Festsetzung der XII. Ge¬ fahrenclasse für die in Rede stehenden Betriebe wohl gerecht¬ fertigt war, so wurde doch, um einen ausgiebigen Ansporn zur Einführung wirksamer Unfallsverhütungs=Vorrichtungen bei denselben zu geben, die niedrigere Gefahrenclasse X „bei

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2