Amtsblatt 1894/36 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 6. September 1894

3 Hiebei wird noch bemerkt, dass der oberösterreichische Landesculturrath in der 29. ordentlichen Sitzung des stän¬ digen Ausschusses zur Förderung der Durchführung von Rothlaufschutzimpfungen der Schweine beschlossen hat, die landwirtschaftlichen Kreise auf die Wichtigkeit dieser Schutz¬ impfungen durch das Organ desselben, „Land= und volks¬ wirtschaftliche Mittheilungen“ aufmerksam zu machen, in jenen Landestheilen, wo erfahrungsgemäß der Rothlauf bei Schweinen auftritt, häufiger vorkommt und nennenswerte Verluste herbeiführte, Vorträge über die Schutzimpfungen und deren Erfolge durch Thierärzte zu veranstalten und ferners zur Beschaffung des Impfstoffes und Abgabe des¬ selben mit Preisnachlass, eventuell auch unentgeltlich, sowie zur Bestreitung der Reiseauslagen des die Schutzimpfung vornehmenden Thierarztes einen Betrag von 40 fl. für das Jahr 1894 zu widmen. Jene Gemeinden, in deren Gebieten der Rothlauf häufig vorkommt, mögen sich daher mit den Vorständen der Bezirksgenossenschaften der Landwirte und der landwirtschaft¬ lichen Vereine diesbezüglich ins Einvernehmen setzen, damit diese Impfungen thunlichst in einem Tage bei einer grö¬ ßeren Anzahl von Schweinen in mehreren Gehöften des ge¬ fährdeten Ortes oder der Gemeinde vorgenommen werden können und auf diese Weise die Durchführung derselben für¬ die Landwirte mit ganz geringen Kosten ermöglicht wird, und anher seinerzeit berichten, ob ein Versuch dieser Schutz¬ impfung gewünscht würde. Belehrung über den Nutzen und die Vortheile der Rothlauf=Schutz¬ impfung bei Schweinen. Der Stäbchenrothlauf, oder die Rothlausseuche der Schweine, welcher landläufig mit dem Ausdrucke „Scholm“ bezeichnet wird, ist eine auch in Oberösterreich häufig vor¬ kommende, seuchenartige Erkrankung der Schweine, welche sich durch Allgemeinstörungen, fleckige, kupferrothe Färbung der Haut am Kehlgange, an den Ohren, an der Unterbrust, am Bauche und an den Innenflächen der Vorder= und Hinterfüße, ferner durch die Erkrankung der Schleimhäute der Luftwege und des Darmcanales, sowie durch die Ver¬ änderungen in der Leber, Milz und den Nieren kennzeichnet. Die Krankheit entsteht durch die Aufnahme eines mit freiem Auge unsichtbaren, mikroskopisch kleinen, stäbchenförmi¬ gen Krankheitserregers (Bacillus), welcher hauptsächlich in stehenden oder langsam fließenden Wässern oder in sehr schwerer feuchter Lehmerde sich zu entwickeln und fortzu¬ pflanzen scheint. Durch die Aufnahme dieses Krankheitserregers mittelst des Futters in den Magen und in den Darm gelangt der¬ selbe in das Blut, woselbst er sich rasch vermehrt und durch das Einwandern in alle Körpertheile die für den Rothlauf charakteristischen Krankheitserscheinungen hervorbringt. Die Weiterverbreitung und Ansteckung anderer Thiere erfolgt dann durch die Aufnahme von Koth und Harn, sowie durch die Verfütterung von Körpertheilen von an Rothlauf erkrankten und nothgeschlachteten Thieren. Am empfindlichsten für die Ansteckung sind die ver¬ edelten, vom Auslande eingeführten Schweine, und zwar in einem Alter von 3 bis 12 Monaten. Die Erkrankungen fallen gewöhnlich in die heißen Sommermonate, obwohl auch in den anderen Jahreszeiten einzelne Krankheitsfälle an dieser Seuche beobachtet wurden. Die Krankheit tritt gewöhnlich bald nach der erfolgten Aufnahme des Seuchengiftes plötzlich ohne Vorboten auf. Die Thiere versagen das Futter, zeigen Brechreiz und Er¬ brechen, hochgradiges Fieber, große Mattigkeit, Schlassucht, Verkriechen in der Streu, Theilnahmslosigkeit gegen die Umgebung, Schwäche und Lähmungszustände im Hinter¬ theile, zuweilen auch Muskelkrämpfe und Zähneknirschen. An den feineren Hauttheilen treten dann gewöhnlich hellroth, später dann dunkel= bis blauroth gesärbte, ausgebreitete Flecken auf. Weiterhin wird der Koth weich, dünnschleimig und sogar hie und da blutig. Gegen das Ende stellt sich eine bedeutende Athembeschwerde ein, und der Tod erfolgt unter Zunahme der allgemeinen Schwäche und starkem Sinken der Körperwärme gewöhnlich am dritten bis vierten Tage der Krankheit, oft aber auch über Nacht und in einigen Stunden. Von den erkrankten Thieren geht die Mehrzahl zu¬ grunde: Genesungen sind ganz vereinzelt. Wegen der großen Zahl der Todesfälle bei dieser Schweineseuche erleiden die Landwirte bei stäckerer Ver¬ breitung oft bedeutende finanzielle Verluste, und es wurden deshalb von jeher alle möglichen Mittel zur Bekämpfung dieser Seuche aufgeboten. Die Behandlung der kranken Schweine durch Medi¬ camente hat zu keinem nennenswert günstigen Resultat ge¬ führt, und beschränkte sich dieselbe hauptsächlich auf die Verabfolgung von Brech= und Abführmitteln, dann auf die Application von Hautreizen, sowie Begießungen mit kaltem Wasser. Ein beliebtes Volksmittel ist auch das sogenannte Schelm (Nieß=)wurzelstecken. Viel wichtiger als jede Be¬ handlung ist die Einleitung von Vorbauungsmaßregeln. So ist die schleunige Absonderung der gesunden Schweine von den kranken, sowie die gründliche Reinigung der ver¬ seuchten Stallungen eine Hauptbedingung für die Ver¬ hinderung einer Weiterverbreitung. Ebenso ist die größte Vorsicht bezüglich der Berührung von Fleisch oder Abfall¬ stoffen von kranken Schweinen mit gesunden zu üben. Zur Verhinderung des Ausbruches dieser Seuche ist einer außer entsprechenden Reinhaltung und öfteren Desinsction aller Schweinestallungen in den letzten Jahren die Schutz¬ impfung nach Pasteur in den Vordergrund getreten, und wurde dieselbe in Frankreich, Deutschland, in der Schweiz und auch in Oesterreich=Ungarn, und zwar in Niederösterreich und Ungarn, seit mehreren Jahren durchgeführt. Die Impfung wird gewöhnlich an Jungschweinen im Alter von 6 Wochen bis 4 Monaten, und zwar zweimal in einem Intervall von 10—12 Tagen vorgenommen. Der hiezu verwendete Impfstoff, welcher nunmehr auch in dem neuerrichteten Institut Pasteur=Chamberland in Wien erzeugt wird, enthält das durch Fortzüchtung abgeschwächte Roth¬ laufgift, das, auf die Thiere übertragen, nach der ersten Impfung eine leichte, gewöhnlich vorübergehende, rothlauf¬ ähnliche Erkrankung hervorruft, welche dieselben dann gegen eine natürliche Ansteckung unempfindlich machen soll. Es wurden nur vereinzelt Impfrothlauffälle beobachtet. Mit Rücksicht auf die nach der Impfung auftretenden rothlaufähnlichen Erkrankungen, sowie die beobachteten Todes¬ fälle ist es jedenfalls nothwendig, dass dieselbe nur von Fachorganen, die mit dem Wesen der Impfung und der Impftechnik vollkommen vertraut sind, durchgeführt wird, und dass dieselbe überhaupt nur in jenen Gehöften und Gegenden in Anwendung gelangt, in welchen fast alljährlich und in größerer Verbreitung der Rothlauf unter den Schweinebeständen aufgetreten ist. Nach den in Niederösterreich gemachten Erfahrungen soll sich dieses Schutzmittel bisher bewährt haben, und hat

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