Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1992

,,Wußten Sie denn nicht, daß sie heute das erste Mal bei uns im Stadttheater gastiert?" klärte ihn der Trinker auf. * Gleißende Scheinwerfer und tosender Beifall zeigten das Ende der Show an. Endlich tauchten die Statisten und Schauspieler hinter der Bühne auf. Auch derweibliche Star PatLucas eilte in ihre Garderobe und prallte überrascht zurück, als sie sich plötzlich zwei Unbekannten gegenübersah. „Chefinspektor Lund", stellte sich der eine der beiden Männer vor. ,,Sie sind doch mit dem Architekten Mayl verwandt? Sicher werden Sie schon durch die Presse erfahren haben, daß er gestern abend ermordet wurde." ,,Davon weiß ich gar nichts", entgegnete die attraktive Schauspielerin überrascht. ,,Ich komme kaum zum Essen . Außerdem hatten wir gestern Generalprobe . . ." ,, ... die aber schon vor 17Uhr zuEnde war", unterbrach Lund die Künstlerin. ,,Und wo waren Sie dann?" ,,Dann habe ich noch einen Spaziergang gemacht. Ich brauchte frische Luft." ,,Wann sind Sie zurückgekommen?" ,,Das weiß ich nicht mehr, da ich anschließend noch einen kleinen Imbiß genommen habe." „Bei diesem miserablen Wetter sind Sie draußen gewesen?" wunderte sich Lund und sah zur Türe, in der jetzt ein Beamter auftauchte, der ihm zunickte. ,,Sie haben also das Theater verlassen, sind zu Mayl gefahren, haben dort dem Architekten aufgelauert und ihn schließlich in der Telefonzelle erschossen. Das Motiv ist ja bekannt, Mrs. Lucas." ,,Das ist ja verrückt, was Sie da behaupten!" schrie die Künstlerin auf . „Niemalswürdeichsoetwastun ... und niemals können Sie mir so eine Ungeheurlichkeit beweisen!" „0 doch! Ich kann es!" sagte Lund eindringlich. ,,Die Fingerabdrücke an der Türschnalle der Telefonzelle, in der Stan Mayl ermordet wurde, sind die gleichen, die jetzt auf Ihrer Garderobentüre zu finden waren. Genügtihnen das?" Der Kopf der Schauspielerin senkte sich tief. 38 Der Sturz Von Georg Schipek ,,Presto, presto, avanti." Keuchen . stolpern. Ich rieche den Schweiß der Träger, höre ihren schweren Atem. „Piano", die beruhigende Stimme des Arztes . Die Männer setzen mich ab. Sie rasten. Die anderen vier Männer heben die Tragbahre auf. Einer rutscht aus auf dem eisigen Schnee. Sie setzen mich wieder ab. Ich liege schräg. Schmerzen, es tobt und hämmert in meinen Beinen. Endlich - sie tragen mich weiter. Ich sehe die Nordwände leuchten, die Nordwände der Drei Zinnen. „Pronto, pronto", wieder die Stimme des Arztes, rauh und beruhigend. Es geht noch ein Stück bergauf, dann sind wir am Paternsattel. Ich sehe den Krankenwagen, und ich sehe Menschen, rund um mich, Männer, Frauen, Kinder. Ich höre das Klicken von Fotoapparaten, sehe ein Blitzlicht und wieder ein Blitzlicht. Das Licht blendet, ich schließe die Augen. Ich spüre die Neugierigen, die sich um mich drängen, mich anstarren. Ich halte die Augen geschlossen. Wieder ein Klick, wieder ein Blitz. Ich möchte die feuchten Haarsträhnen aus meinem Gesicht streichen, aber die Hände sind fest an den Körper gepreßt. Ich blase mir ins Gesicht . Ein Soldat beugt sich über mich und streicht die Haare von meiner Stirn. Ich lächle dankbar, er lächelt auch. Dann wird die hintere Tür des Krankenwagens geschlossen. Der Wagen fährt an, holpert und schaukelt den schmalen, steinigen Weg hinunter. Die Schmerzen werden stärker. Der Arzt sitzt vor mir, seine linke Hand liegt auf meinen Beinen. Ich will ihn fragen, bringe aber nurmühsamLaute hervor. Der Arzt hört das leise fragende „Wohin? " Er lächelt . ,,Ins Krankenhaus", sagt er, ,,nach Cortina". ,,Danke", sage ich. Ich wünsche, daß mein Körper nicht da wäre, mein Geist wird klarer. Er spricht gut deutsch, denke ich. Der Paß ist endlos. Der Wagen fährt schnell. Die Kurven schlagen meine

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