Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1975

V 011 Professor Frauz Braumann Peter fuhr aus einem kurzen Schlaf ,empor. Ein dumpf dröhnender Schlag hatte ihn geweckt. Er schloß noch einmal die Augen vor der weißen HeUe im Fenster. Lautlose Stille um ihn - wo war er überhaupt? Keine Stimmen von der Gas- .Se herauf, kein dump.f verdröhnender Stvaßenlänn - nur das weiße Licht im Fenster! · :Die Verwirrung währte nur Sekunden. Das wiar -nicht seine Stadrbudte, das .,;chmale, enge Fenster vier Stock hoch über der Gags,e - er war zu Hause und im Kreuz des Fensters stand der voUe Mond! Wenn Peter früher in monatelangen Abständen vom Studium an der Bodenb oclischule ins Dorf heimg,ekehrt war, meistens auf ein pa ar Tage nur, hatten ihn die Freunde aus ,der Jugendzeit aufgesucht, halb bewundernd, halb mit leisem Neid, un1d si e waren bis tief in die Nacht beisammen gewesen. Allmählich waren die alten F11eundschaften verblaßt - und hätte er heute am Abend nicht Veroruika getroffen, hätte außer den alten Eltern unld <ler Schwester kein Mensch im Dorf seine Heimkehr bemerkt. Peter hatte sich aufgesetzt und lehnte eine Weile am Fenster. Unten stand im mondiiherfluteten: Hofplatz noch sein Auto an der Scheunenwand. Aus Süden h erauf blies der Wdnd - der Föhn mel- .dete sich an. Baiid wü11de er stärker wehen - in manchen Jugerudnächten zuhause war er auch schon zum Sturm angewiachsen. Aus dem Stall hi11Jter dem Hause schirrte ein Rind an der Kette - oder kam der Laut aus dem Nachbarhaus jenseits des tief schattenden Obstgarterns? Aus dem Nachba.rhaus, in dem VeroDlika schlief? Er hatte -sie am kbend eingeheilt, als ;;ie vom Markt heraufkam. Sie setzte sich neben ihn, a1s er ,sie zrum Mitfahren ein~ lud. ,, Bist du wieder heimgekommen?" fragte sie. ,,Hast du das Dorf nicht schon vergessen?" „Vergessen?" entrüstet er sich. ,, Wo die .sd1öusten: Mädchen daheim sind, Veronika!" Sie l1 achten beide. ,,Wo denn, Peter? Du mußt sonderbare Augen haben! " „Ganz nah n:eben mir sitzt jetzt die schönJSte ! " Er sah, daß sie errötete, als er dies sa,gt-e. Ihm wm,de son<lerbar wann dabei. Veronika war nur ein paar Jahre jünger als er. Als er amif . der Fachschuile war hatte auch sie ,die Haushaltsschuile besucht. Auf einem gemeinsamen Faschingsball hatte er si,e im Dunkel auf d:em Schulhof geküßt. Jetzt sah er diese läng,st vergessene Epil'lode wieder vor sich. •Weißt du es noch, Veronika - damals beim Ball? " steuerte er geraliewegs auf die Erinnerung zu. Sie schaute ihn von der Seite an. „Seither hat sich viel geändert. Mich wundert 's, daß du es noch weißt, Peter! " sagte sie a:bwartend. ,, Und du, Veroni~a - hast du es vergessen?" „Ach ich - aber auf mich kommt es nicht an! " Es klang auf einmal wiie Trauer und Vorwurf. Peter horchte hin. Er nahm den Fuß vom Gas. Das Auto rollte langsamer ins Dol'f hinab. Hinter dem Nachbiarhaus hatte er angehalten. „Nichts i,st ve!'gessen, Veronika! Was meinst du zu einem Spaziergang am Abend?" gab er einem schnellen Einfa:1l nach. ,,Morgen muß ich wi•eder zurück in die Stadt - ein paar Prüfungen warten." Sie wu,rde von neuem rot und blickte ihn prüfend an. Dann schüttelte sie den . Kopf. ,,Es wird jetzt so bald schon dmV kel - und der Vater sieht so etwas nich't gern!"

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