Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1968

STEYRER KALENDER zitr UNTERHALTUNG 085 GB5ChBßk für MUHBr Eine Jugenderinnerung von R. Kenneth /"Ich war zehn Jahre und mein Bru- _/der Nick vierzehn. Die Jagd nach einem Geschenk für unsere Mutter zum Muttertag war eine Quelle größter Aufregung für uns. Denn es war das erste Geschenk, das wir ihr machen konnten. ,vir waren sehr arm, und so etwas wie ein Geschenk lag völlig außerhalb unserer Möglichkei ten. Aber Nick und ich hatten das Glück gehabt, mit verschiedenen kleinen Gelegenheitsarbeiten ein bißchen Geld zu verdienen. Die Vorfreude auf die Ueberraschung, die unser Geschenk auslösen würde, wud1s von Tag zu Tag, bis wir fast überschnappten. Als wir unserem Vater davon erzählten, strich er uns anerkennend übers Haar . ,,Das ist eine schöne Idee", sagte er. ,,Mutter wird sich schrecklich dariiber freuen!" Aus seinem bewegten T 011 hörten wir heraus, was er dachte. Er hatte unserer Mutter während ihrer ganzen Ehe nod1 nicht viel schenken können. Sie mußte Tag für Tag hart arbeiten, kochen, uns 2 beaufsichtigen, für die ganze Familie waschen. Und sie tat alles wortlos. Freilich lachte sie auch nicht viel, aber wenn sie nur lächelte, war es etwas Wunderbares und Beglückendes für uns. ,,Was wollt ihr Mutter denn schenken?" fragte Vater. ,, Wir wollen ihr beide etwas schenken ", kündigte ich an. „Könntest du es Mutter nicht schon erzählen?" fragte Nick, indem er mich um Zustimmung bittend ansah, ,, dann kann sie sich schon vorher jedesmal freuen, wenn sie daran denkt." Vater erwiderte: ,,Das ist aber ein großer Gedanke, der aus so einem kleinen Kopf kommt. Und auch ein weiser!" Nick errötete vor Freude. Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte : ,,J oe hat auch daran gedacht." „Nein, nein" , widersprach ich, ,, das ist nicht wahr . Aber mein Geschenk wird es schon wiederg-utmachen. " Die ganzen nächsten Tage füllte uns das Spiel der Geheimnistuerei vor Mut33

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