Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1968

ter völlig aus. Sie tat, als hätte sie keine Ahnung, doch auf ihrem Gesiebt lag während der Arbeit ein glücklicher Ausdrnck, und sie lächelte oft. Die Atmosphäre war erfüllt vo n Liebe . Nick und ich besprachen nun, was wir kaufen sollten. „Keiner soll dem andern ve rraten, was er schenk t", sagte Nick schließlich gereizt, weil ich mir absolut nicht schlüssig werden konnte und meine Einfälle n{ir planlos durch den Kopf schwirrten. Nach langer Ueberlegung erstand ich schließlich einen Kamm mit vielen glän3enden Steinchen, die als Diamanten gelten konnten. Nick fand mein Geschenk wunderbar, wollte aber über seines nicht mit der Sprache heraus. , Wir werden ihr unsere Geschenke in einem ganz bestimmten Moment, de11 ich bestimme, übeueid1en", sagte er. ,, Was ist das für ein Moment? " fragte ich überrasmt. „Das kann id1 dir deswegen nicht verraten, weil es mit meinem Geschenk zusammenhängt" , erwiderte Nick. ,, Und nun frag mich bi tte nicht immer wieder, was es ist!" Am 11ächsten Morgen, als Mutter sich anschickte, den Fußboden zu scheuem, gab mir Nick einen Schubs, und wir liefen, unsere Geschenke zu holen. Als ich zurückkam, lag Mutter auf den Knien, schrubbte und wischte das schmutzige Wasser mit alten Lumpen auf . Diese Arbeit war ihr am mei sten verhaßt. Dann kam Nick mit seinem Geschenk zurück. Mutters Gesicht wurde bleich ·,or Enttäuschung, als sie sah, was es war: ein neuer Scheuereimer mit Wringvorrichtung und ein neue r- Scheuerlappen. „Ein Eimer", sagte sie, und ihre Stimme brach fast. ,.Als Geschenk zum Muttertag ein Scheuereimer !" Nicks Augen füllten sich mit Tränen. Ohne ein Wort nahm er den Eimer und stampfte traurig die Treppe hinunter. Ich steckte schnell meinen Kamm wi~- der in die Tasd1e und lief ihm nach. fa weinte, ull!d id1 weinte mit ihm. Beim hinunterlaufen begegneten wir Vater. Nick b)rachte kein Wort heraus , also erklärte ich es ihm. 34 ,, Ich will ihn wieder zurückbri ngen!" sch luchzte Nick. „Nein" , sagte Vater und nahm ihm den Eimer ab. ,, Das ist doch ein großartiges Gesch enk. Wie dumm, daß ich nicht selbst darauf gekommen bin !"' Und wir gin.ge11 die Treppe wieder hinauf. In der Küche sch rubbte Mutter noch imme r. Ohne ein Wort nahm Vater das schmutzige Wasser mit d.em neuen Lappen autf. trat auf den Fußhebel und drückte den Lappen sauber mit dem Auswringer a:us. ,, Du hast ja Nick gar nicht ausreden lassen", sagte er zu ihr. ,, Der Hauptteil seines Gesd1enkes ist nämlich, daß er von jetz t an den Boden scheuern will. Nicht wahr Nick?" Nick errötete vor Sdiam und begriff. ,J a, ja ", sa.gte er leise und voller Eifer. Reuig sagte Mutter sofort: ,, Nein, nein, das ist für einen Vierzehnjährigen viel n1 schwere Arbeit!" Damals wurde mir zum erstenmal bewußt, wie klug mein Vater war . „Aber " , sagte er verschmitzt, ,, mit diesem wunderbaren Auswringei· am :Eimer doch nicht. So ist es viel leichter. Die Hände bleiben sauber, und die Knie tun nicht mehr weh ... " Und schnell machte er es noch einmal vor. Schuldbewußt schaute Mutter Nick an und sagte : ,, Ach, wie dumm man doch manchmal sein kann!" Ur1d sie küßte Nick, und ihm wurde sichtlich wohler. Dann wandte Mutter sich mir zu. ,, Und was hast du für ein Geschenk? " frag te Vater mich. Nick sah mich an und wurde bleich. Wie Blei lag der Kamm in meiner Tasche. Neben ihm wäre der Scheuer- <?imer wieder nur ein ganz gewöhnlicher Scheuereimer gewesen. Nun konnte ich doch nicht einen Kamm herausrücken, der mit Steinen wie Diamanten besetzt war! „Die Hälfte vom Scheuereimer", stieß ich kläglich hervor. ,,Wir wollten dir nämlid1 ein gemeinsames Gesehenk machen ... " Da sah mich Nick strahlend an , und jn seinen Augen stand Liebe und Dankbarkei t.

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