Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1963

Sebald nickte in einemfort mit dem Kopf. ,. Dann war es also doch keine Täuschung" , murmelte er. ,. Kam es mir doch damals vor, als wir den vermeintlichen Dieb verfolgten, es steckte nicht ein Mensch, sondern ein großes Fischwesen in der Schlammgrube! " Sebald und Gunthilde kamen überein, von dem Vorfall den anderen nichts zu erzählen, auch dem Andreas nicht, denn sie wollten, jetzt, wenige Tage vor der · Hochzeit, keine Unruhe aufkommen lassen. Sebald gab Gunthilde im übrigen das Versprechen, sie keinen Augenblick unbewacht zu lassen. Hätte doch der Sebald den Mund aufgetan! Hätte er aus dem Vorfall, von dem er Kenntnis hatte, kein Geheim1tis gemacht! Man hätte den Teich austrocknen und den Fluderneck vertreiben können. So aber, weil er schwieg, nahm das Unheil seinen Lauf. Vier Tage später wurde zur hlochzeit gerüstet. Schon im Morgengrauen begann ein reges Leben und Treiben. Die Rappen wurden nochmals gebürstet und mit Federbusehen geschmückt. Die Kutsche wurde mit Blumen und Reisig behangen. Stattlich aber putzte sich auch der Altknecht Sebald heraus, denn er hatte das Paar zusammengeführt und nahm dafür die Ehre in Anspruch, die Braut zur Kirche zu führen. Schon am Morgen knallte er ungeduldig mit der Peitsche, so stolz und so festlich war ihm zumut. Um sieben Uhr machte sich das Hofgesinde auf den Weg, um der Hochzeitskutsche vorauszueilen und den Zug der Brautleute vor der Kirche -zu erwarten. Eine Stunde später malmte auch Sebald zum Aufbruch. Gunthilde, in ihrem Brautschmuck noch schöner als je zuvor, stieg in den Wagen, Mutter Mechthilde und der Vater folgten. Sebald aber knallte noch lauter mit der Peitsche, dann setzte sich der Wagen in Bewegung. Sie fuhren eine Weile, ohne daß eines ein Wort sagte, denn sie waren ergriffen, wie es eben der Hochzeitstag mit sich -bringt, und Mutter Mechthilde wisdite etliche Tränen in ihr Taschentuch. Da machte Sebald eine brummige Bemerkup.g_: „Es ist heute so trüb und dunstig" , sagte er...Es ist gar nicht der Tag, wie l.di ihn 111ir für die Hochzeit gewünscht hätte!" „Was sagst du da? " meinte der Gindrader. ,.Trübe und dunstig? Ich _sehe doch blauen Himmel und keine einzige Wolke!" Sebald aber wischte sich immer wieder über die Augen, doch der Schleier blieb, wie ihm dünkte. Lag das etwa an seinen Augen oder wirklich an der Luft? Als sie durch einen Hohlweg fuhren, sagte der Gindrader: ,.Es ist mir noch gar nicht .aufgefallen, daß der Kieswanger beidseits des Hohlweges Lärchen gepflanzt hat! Und wie schnell die gewachsen sind! " „Aber Mann!" warf Mechthilde ein. ,.Das ist doch gar nicht der Kieswanger Hohlweg! Dort sind wir doch schon vor einer Viertelstunde durchgefahren!" Der Bauer schüttelte den Kopf, sagte aber nichts, und Sebald wischte ,noch immer an seinen Augen. Schließlich aber wurde Gunthilde ungeduldig und' sagte : „ Sebald ! Jetzt sind wir doch schon dreiviertel Stunden unterwegs! Wir müßten doch schon den Kirchturm sehen! " Methilde und der Bauer streckten die Köpfe aus dem Wagen und prüften die Gegend... Jetzt müßte doch die Kieswanger Kapelle mit den hohen Ulmen zu sehen sein! Was sind denn das für Wiesen? Die kenne ich ja gar nicht!" Auch der Bauer kam zu dem Ergebnis, daß er nicht mehr Bescheid wußte. „Du bist doch ein ganzer Narr, Sebald! " schalt Mutter Mechthilde...Du bist heute so wunderlich im Kopf, daß du den Weg verfehlt hast, den du doch schon bei Nacht so oft gefahren bist! Wahrscheinlich hast du die Rosse gehen lassen, ohne auf den Weg zu achten, und jetzt haben sie den falschen Weg genommen. Am besten ist es, wir' fahren zurück; bis wir die Kieswanger Kapelle zu Gesicht bekommen . Dort kommen wir sicher auf den richtigen Weg! " 39

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