Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1962

Wir beteiligten uns lebhaft an der Verschwörung, an den Vorbereitungen zu der Revolution von 1846. Die Emissäre der Zentralisation, so hieß damals die polnische Nationalregierung in Paris, gingen bei uns ein und aus. Wir hatten Waffen und Munition in unserem Edelhof verborgen, meine Frau zupfte Charpie und machte Patronen. Es kam jener unselige l846er Februar heran, an dem der Adel Galiziens, im ganzen Lande zugleich, die polnische Fahne entfaltete, aber nicht im Stande war, das Volk für dieselbe zu begeistern, wo die polnischen Bauern ihre Sensen und Dreschflegel gegen uns kehrten und einen neuen Sklavenkrieg unter der Anführung des galizischen Spartakus Jakob Szrla in Szene setzten. Tausende von Edelleuten wurden samt ihren Familien und Dienern von ihnen getötet, die Edelhöfe angezündet - genug davon. Der Osten des Landes blieb von diesen Greueln verschont, einzelne Insurgentenbanden, die sich hier gebildet hatten, wurden :von den Bauern oder den Soldaten zersprengt, aber es fand keine Bluttat von Seiten des Landvolks statt. Mein Edelhof, meine Frau blieben verschont, aber ich selbst war bei dem Gefechte von Narajew beteiligt gewesen und mußte fliehen, sonst erwartete mid1 ein Spaziergang nach dem Spielberg oder Kufstein. Ich entkam glücklich über die Karpaten nach Ungarn und hielt mich bei einem Freunde in Szigeth verborgen. Ein Jahr verging. Meine Frau, welche während desselben unser Gut verwaltete, schrieb mir zärtliche Briefe. Von Tag zu Tag wuchs in mir die Sehnsucht, sie wieder zu sehen, wäre es auch nur für wenige Stunden, und einen Kuß, einen einzigen, auf ihre Lippen zu drücken. Es war im März 1847, als ich, in der Maske eines polnisd1en Juden, auf einem jüdischen Fuhrwerk nach Galizien zurückkehrte. Ich wollte meine Frau, die von meiner Rückkehr keine Ahnung hatte, vollständig überraschen. Ein meiner Familie und mir persönlich anhänglicher, treuergebener Schankwirt nahm mich auf und versteckte mich in einem kleinen Hinterstübd1en . Die Schenke war nur etwa zwei Stunden von meinem Gute entfernt. Ich wartete, bis es Nacht geworden war, bestieg dann ein Pferd und ritt auf Seitenwegen hin. Als ich bei der unsicheren, fahlen Beleuchtung der Mondsichel und der Sterne endlich die wohlbekannten alten Pappeln , das heimatliche Dach mit dem großen Storchennest, dem lang,\rmigen Ziehbrunnen, der wie ein Gespenst der Steppe dastand, erblickte, klopfte mein Herz gar mächtig und Tränen stürzten mir aus den Aug~n. Ich bedurfte geraumer Zeit, um mich zu fassen, dann stieg id1 ab, band mein Pferd an einen Weidenbaum und schlich durch den Hof meinem kleinen, ebenerdigen Hause zu. Die beiden großen weißen Wolfshunde sprangen mit wütendem Gebell auf mich zu, erkannten mich aber sofort, begannen freudig zu winseln, an mir emporzuspringen und mir die Hände zu lecken. Im Gange traf ich meinen alten Stephan, der mit verwirrtem Haar, die brennende Kerze mit der Hand vor dem Luftzug schützend. mir entgegen kam, einen Schrei ausstieß und sich mir zu Füßen warf. Ich umarmte ihn und hob ihn auf . ,, Ist die Frau daheim?" fragte ich leise. ,,Gewiß", erwiderte der alte Diener erstaunt. ,,Wo sollte sie denn sein? " ,, Schläft sie?" ,, Wie sollte sie nicht schlafen? Es ist ja nahe an Mitternacht." ,,Sperre das Tor, Alter, und geh ' zur Ruhe", sagte ich. ,, Wie Sie befehlen." „Ich bin doch hier einige Stunden sicher?" fragte ich. Eine gewisse Unruhe hatte sich mei ner bemächtigt, gleich einer bösen Ahnung. Der Alte kratzte sich auf dem Kopf. ,,Wie man es nimmt", sagte er, ,,wir haben Einquartierung." ,,Im Hause?'' ,. Im Hause den Rittmeister, im Dorfe einen Teil seiner Schwadron." ,,Husaren?" ,,Nein, Schwaben, Kürassiere." 49

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