Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1960

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts bildeten sich kleine Verbände musizierender Handwerker, von denen die „Kainratische Musikanten Banda“ grö¬ ßeren Einfluß erlangte. 1731 bestand diese Kapelle aus den bürgerlichen Meistern Anton und Gregor Kainrath, beide Messerer, Johann Adam Pisch, Kupferschmied und Hans Wolf Gröpl, Pfannenschmied.98 Als diese Musikanten 1734 an den Ma¬ gistrat das Ersuchen richteten, „unbürgerliche Hochzeiten und andere Lustbarkeiten mit ihrer Musik bedienen zu dürfen“ verfügte die Stadtobrigkeit, „daß dem Tur¬ nermeister die Bedienung der bürgerlichen als unbürgerlichen allhier in der Stadt wohnenden Personen gebühren solle“. Wäre er aber mit seinen Gesellen hiezu nicht in der Lage, dann sie den Supplikanten das Musizieren zu gestatten, doch müsse vorher der Turnermeister befragt werden.99 Wahrscheinlich erhielten später die Handwerker=Musikanten, die wie die Turner die unbürgerlichen und fremden Spiel¬ leute heftig bekämpften, noch weitere Lizenzen. Um 1769 dürften sie sich zur „Bür¬ gerlichen Musikanten=Compagnie“ zusammengeschlossen haben.100 2 * Die rechtmäßige Organisation für alle in der Offentlichkeit tätigen Musiker war die 1228 „Zech und Bruderschaft Sancti Nicolai“tot bei der St.=Michaels=Pfarrkirche in Wien. Diese Bruderschaft unterstand dem Spiel¬ grafenamt der Erzherzogtümer Österreich unter und ob der Enns. Die Erb¬ vogtei über dieses Amt wurde vom „Obrist=Cammer Ambt“ in Österreich unter der Enns ausgeübt. Der Obriste Erbkämmerer Ernst Friedrich Breuner, Graf von und 45 zu Aspern, ernannte 1671 zum Spielgrafenamtsverwalter in Österreich ob und un¬ ter der Enns Karl Eder, dem die Spielgrafenamts=Viertelmeister unterstellt waren.102 Im Traunviertel wurden mit dieser Funktion meist Steyrer Bürger betraut. Erwähnt werden: Georg Gollenberger (1646),103 der Stadtkoch Urban Lux (um 1650 bis 1679),104 der Messerer Hans Jakob Hoffer (1682),105 Johann Dorffner, Mitglied des äußeren Rates (1702).106 Alle Personen, „so vor den Leuten Spiel und Kurzweil um Geld machten“ waren verpflichtet, das Einkaufsgeld und den Jahrschilling zur Nicolai=Bruder¬ schaft bei dem Spielgrafenamts=Viertelmeister zu erlegen. Sie erhielten hierüber eine Zahlungsbestätigung („Spielzettel"), der sie erst zum öffentlichen Auftreten berechtigte. Nach dem kaiserlichen Spielgrafenamtspatent vom 12. Juni 1665 um¬ faßte die erwähnte Bruderschaft a) alle Turner, Organisten, Kleinzimbler, Lauten¬ schläger, Harfenisten, Geiger, Pfeifer, Hackbrettler, Schwägler „und dergleichen Spielleuth so Hoch=Mahlzeiten und Pancketen umb die Bezahlung bedienen wie auch theils derselben auff den Tantz=Böden) in denen Wirtshäusern und Ta¬ fernen mit ihrer gemeinen Kunst auffmachen“,107 b) sämtliche Freifechter, Hafen¬ schupfer, Glückshafner, Komödianten, Gaukler, Seiltänzer, Trommelschlager, Ley¬ rer, Bären=, Affen= und Hundstanzmacher, Schwertfänger, Freisinger, Würfel= und Taschenspieler, Schalksnarren „und in Summa alle andere so vor den Leuthen Spill und Kurtzweill (dabey aber bei Leib= und Guts=Straff) das Gottslästern Fluchen und Schwören wie auch einige unzüchtige Reden) Gebärden und Ver¬ stellungen nicht zugestatten) auff dem Jahr=Wochen=Märckt und anderen Fest= und Freuden=Tägen“ vorführten. Im genannten Patent Leopolds I. wurde allen nicht einverleibten Musikern und Spielerntos die sofortige Inkorporation bei der Nicolai¬ Bruderschaft befohlen, den Stadt= und Grundobrigkeiten aber u. a. eingeschärft, keine Spielleute und Spieler, die einen Spielzettel vorweisen können, durch Ge¬ richtsdiener zu belästigen, keine uneinverleibten Musikanten weder zu dulden, noch selbst zu beschäftigen und den Verwaltern und Viertelmeistern des Spielgrafen¬ amtes Schutz und Hilfe zu gewähren.109 Das Spielgrafenamt bestand noch bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Im Jahre 1782 wurde es unter Kaiser Joseph II. aufgehoben, da „es der natür¬ lichen Freiheit, durch freie Kunst das Brot zu verdienen“, nicht entsprach. 110 Zusammenfassend sei festgehalten, daß auch in den wirtschaftlich schweren Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Kriege und in der Zeit der Türkeneinfälle 63

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