Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1959

reit. Doch vorerst werdet Ihr in meinem Hungerturm Euer heißes Herz abkühlen und heulend und zähneklappernd meine Rache spüren. Fridolin! Wirf diesen Höl¬ lenhund hinunter in den Sühneschlund! „O zittere, Grausamer!“ schrie Ritter Zwerglheim todesmutig zurück. „Auf Euerer Burg, Graf Grobenstein Euch Nacht wird ewiglich dann mein Gebein — für Nacht umklappern!“ Da plötzlich erhellte sich die finstere Miene des grausamen Grobensteiners. Ha¬ stigdrückte er sein Holzschwert der eben auftretenden Kunigunde (im profanen Le¬ ben „Schmiedmoa=Naz' genannt) in die Hand und ging freudestrahlend dem ver¬ ehrten Meister Bruckner entgegen, der lachend hinter der Glastüre zugehört hatte Oben im traulichenWohnzimmer wurde der hohe Gast von der Hausfrau und ihrenTöchtern feierlichbegrüßt. Von der Ofenbank streckte die blinde Großmutter dem Gast die zitternde Hand entgegen. Der Meister setzte sich vorerst zu der Blinden und unterhielt sich eine Zeit¬ lang mit ihr. Indessen hatten die Mädchen den Jausentisch festlich gedeckt. Feiner Kaffeeduft durchströmte den Raum und ein prächtiger Gugelhupf lockte zum Genuß. Vorerst hielt Herr Mayr eine Festrede, die wie immer mit den Worten endete: „Harmonie führt uns zusammen, Harmonie hält uns vereint“ Der Meister dankte: „Recht ham S', Herr Mayr, Harmonie führt uns z'samm. Ja, ja Fräuln Hannerl, hiatzt wird a weng musiziert und gsunga. — „Wer hat denn den herrlichen Schoba bacha,“ erkundigte er sich dann. „Die Fanni hatn bacha,“ wurde gesagt. „Bravissimo, Fräuln Fanni, lobte er, „das is a Musterstückl von an Schoba“ „Ja, aber d' Zibebn hab i ausklaubt und gwaschn,“ berichtigte die Dorl. „Alle Achtung, die Weinbörl san a richtiga Bestandteil von an guatn Schoba“, erklärte derGast und tunkte ein großes Stück in seine Schale. Nach der Jause sang die Hanni, begleitet vom Meister, ihre schönsten Lieder Und als der Künstler eigene Kompositionen vorspielte, waren alle Zuhörer von die ser Weihestunde hochbeglückt. Auch die kleine Mariedl durfte am Klavier ihre Kunst zeigen und wurde belobt. Einige Mädchen aus der Nachbarschaft, von denen eine die besondere Auf¬ merksamkeit des Meisters erregte, hatten sich indessen eingefunden und waren be¬ geistert und ergriffen von dem seltsamen Erlebnis. Als sich der Meister von der Familie Mayr verabschiedete, begleitete ihn auf seinem Weg zum Gasthaus Sinzinger in die Schweizergasse, wo er mit Freund Bayer eine Zusammenkunft vereinbart hatte, die ganze Mädchenschar. Plötzlich blieb der Meister stehen, machte sich auf seinen Manschetten einige Notizen und sagte dann mit glücklichem Lächeln: „Hets, hiatzt is ma grad a wun¬ derbares Thema eingfalln, dös muaß eini in mein Micherl.“ Dr. Anton Bruckner hat in seiner geliebten Steyrerstadt viele glückliche und künstlerisch reich gesegnete Tage erlebt und einer davon war dieser, von dem hier die Rede war. 53

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