Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1958

66 lichen Blicke zusammen zu kleinen, kümmerlichen Büroangestellten, Leute, die man für Handelsreisende in Schuhpasta oder Kaffeesurrogat, bestenfalls in Parfums halten könnte, entpuppen sich vor diesen Röntgenaugen als Dollarmillionäre ... Johann Kashofer irrt sich nie. Bis eines Tages Furchtbar trifft ihn dieser Schlag! Eines Tages also betritt ein distinguierter Herr das Hotel. Die Aufmachung ist betont schlicht, doch nicht ohne Raffinement. Den grün=rot karierten Plaid hält er nachlässig über dem Arm und reicht ihn an Kashofer weiter, um mit weltmüder Gelassenheit das nachfolgende Gepäck zu dirigieren. Sofort Weiß Johann Kashofer wen er vor sich hat. Die Atmosphäre entscheidet. Überflüssig, dem ankommenden Gaste den Meldeblock entgegenzuschieben, wie das in Hotels mittlerer Güte üblich ist, die nur über mangelhaft geschultes Personal verfügen. Johann Kashofer hat sich in den zweiunddreißig Jahren, da er in der Rezeption steht, einen Geheim¬ schlüssel zurechtgelegt, nach dem er die Güte klassifiziert. Den diskret bescheidenen getarnten Gast reiht er in die Gruppe eins ein: Monarchen (auch wenn es sich nicht gerade um gekrönte Häupter handelt — das „Innerste“ entscheidet!) Der Direktor, der eben noch die Reversseite des im Lift entschwebenden Gastes — leichtfertig, wie Direktoren sind! — sieht, urteilt nach dem schlecht sitzenden Sakko, zieht verächtlich die Mundwinkel herab und blickt fragend auf Johann. Dieser aber neigt sich, verklärten Antlitzes, dem Direktor entgegen und flüstert mit hochgezogenen Brauen einen der allerhöchsten Namen ins Ohr. ihm Alles weitere ergibt sich von selbst: Türen öffnen sich automatisch, Koffer schweben dem Gaste nach, drei Garcons bemühen sich, Wünsche zu erfragen. Man wagt nur mehr zu flüstern. Durch das ganze Hotel geht ein bedeutsames Geraune Eine denkwürdige Woche! Dann der Abschied in der Rezeption! Diskret schiebt Johann Kashofer den Meldeblock heran. „Eine Formalität “ flüstert er und betrachtet, um nicht auf die Zeilen sehen zu müssen, nach¬ nur denklich das Kalenderblatt. Der hohe Gast lächelt nachsichtig, schraubt die Füllfeder auf und schreibt mit vornehm zurückhaltender Miene alles notwendige nieder, ähnlich wie Prominente schreiben, wenn sie das zweihundertdreiundachtzigste Autogramm geben müssen. Keinen Blick wirft Johann Kashofer auf das Papier. Erst als er an der Seite des Direktors den Gast durch die Drehtüre geleitet hat, wendet er sich zurück und überfliegt die Zeilen. Furchtbar ist der Schlag! Denn schwarz auf weiß steht da zu lesen: „Josef Huber, Hotelportier. EIN TRAUN Ein Traum, ein Traum ist unser Leben Auf Erden hier. Wie Schatten auf den Wogen schweben Und schwinden wir. Und messen unsre trägen Tritte Nach Raum und Zeit; Und sind (und wissen's nicht) in Mitte Der Ewigkeit. J. G. Herder.

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