Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

84 Hausierer zu Tode sekkiert. Das hatte Ratleitner durchs offene Fenster gesehen und wäre bald selbst erschlagen worden, weil er es verhindern wollte. Das klang alles so gruselig und rätselhaft, wie ich es am liebsten hatte. Und so verging ein kurzer Wintertag wie im Fluge, bis der späte Nachmittag in Großmutters Stube rief, wo das Spinnrad so traulich surrte. Die Großmutter, ein schwarzes Band im fein¬ gescheitelten Haare, war eine stille Frau mit klaren, braunen Augen im blassen Ma¬ tronengesicht, das deutlich noch den schwachen Glanz ehemaliger Schönheit trug. So schien es wenigstens mir, wenn ich, wie Kinder tun, beim Zuhören all den feinen Fältchen folgte, die ums Gesicht der Erzählenden spielten. Da waren Geschichten aus der Bibel und fromme Legenden, von denen sie sprach wie von Selbsterlebtem. Von Herodes berichtete sie einmal und vom Kindermord zu Bethlehem, saß auf einem Schemel und hatte einen Korb vor sich, in den sie einen Kapaun rupfte. Und der Name Herodes ist in meiner Erinnerung dauernd verknüpft mit einem rost¬ braunen oder roten Hühnerhals, von dem alte Hände Federn streifen. Dann sang sie mit leiser, sicherer Stimme ein altes Krippenlied von Hirten, die sich urwüchsig die Botschaft von der Geburt des Herrn zuriefen. Dann gab es noch vor dem Abendessen an der Hand der Mutter einen späten Gang. Der führte den Bach entlang ins nächste Dorf hinunter, zum Weber. Taghell lagen die frostfunkelnden Schneeflächen im blauen Mondlicht bis zum schwarzen Waldrand weit drüben. Wölfe? Alte Leute hatten uns erzählt davon. Doch das war vor langer, langer Zeit gewesen. Und zudem ging ich an warmer Mutterhand. So gut und furchtlos, so gescheit, froh und milde war niemand auf der Welt wie die Mutter. Wie in vertrauter Ehrfurcht grüßten die Knechte neben den klingelnden Schlitten, die uns entgegen kamen. Und im warmen Holzstüberl glitt der wortkarge Weber gleich willig von der Bank, wenn wir eintraten. Der hatte mächtige runde Brillengläser vor der Nase, die ehrfurchtgebietend über seinem alten Faltengesicht wachten. Und war überhaupt die Verkörperung von Recht und Gesetz, von Richtung und Maß, wenn er den breiten Rahmen klappte und das glatte Schifflein durch die Fäden jagte. Das führte zu manch sinnenden Fragen auf dem Heimweg. Dann lagen wiederum weitum die Felder im harten Mondlicht, nur um den nahen Hei¬ matort wob der Laternenschein einen goldenen, engtraulichen Schimmer. Und da kam es wie von selbst zur vertrauten Zwiesprache mit der Mutter, vom Christkindl und was es alles bringen sollte. Da spannen sich die Wünsche im arglosen Kinder¬ sinn, zweifelnd erst, dann immer weiter und sorgloser. Was merkte ich damals, daß mir zur Seite die Liebe ging, grenzenlos und über alles Maß, stark und still, und ihre verhaltene Jubelstunde hielt am Geplauder des Buben. Und als wir die Straße hinauf zu unserem Hause kamen, da huschten wahr¬ haftig blitzende Lichter über die Scheiben der dunklen Stube im oberen Stockwerk. War es Lichtschimmer gewesen von der Straße her oder war das Christkind grüßend durch das Fenster geflogen? Ich weiß es heute noch nicht. SICHER, BILLIG UND BEOUEM MACHEN SIE IHRE URLAUBSFAHRT MIT DEN REISEOMNIBUSSEN DER STADTISCHEN UNTERNEHMUNGEN. UN. VERBINDLICHE BERATUNG IM REISEBURO STEYR, KIRCHENGASSE 1. Telephon-Nr. 23 71, 23 72

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2