Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

von dem ruhig fließenden Gewässer des Wehrbaches durch Gitter und natürlichen Zaun abgegrenzt war, ebenso anderseitig gegen den Nachbargarten. Hinten führte eine stille Gasse vorbei, deren einsame Laterne nur spärlich die nächste Umgebung des Standortes erhellte. Kaum hatten die Gäste in den bequemen Stühlen der „Elisabeth=Ruhe“ Platz genommen und die Röcke abgelegt, erschien auch schon Frau Lisbeth mit dienstbaren Geistern, die farbige Lampions aufhängten, große Schüs¬ seln mit feinstem Aufschnitt herbeischleppten, Wannen aufstellten, die mit Eisbrocken gefüllt, zur Kühlung der Getränke bestimmt waren Unter Singen, Scherzen, Lachen verflog die Zeit bei festlichem Gelage in Win¬ deseile. Felix dominierte. Er steckte des öfteren den Fingerstumpf in die Nase jedenfalls um appetitfördernd zu wirken. Der Most schmeckte ihm ausgezeichnet und es hatte den Anschein, daß er, zu Ehren des Namenstagskindes, den Festrausch übernahm, denn er ergänzte bereits die Quartettlieder mit Trompetensolis, dier mit dem Munde großartig imitierte und die zu schreiben die Komponisten jedenfalls vergessen hatten. Da nun auch noch die ersten lateinischen Wörter hörbar wurden war es an der Zeit, das Lieblingslied der Frau Lisbeth, „Salzburgs Glocken“, ein wunderschönes Liedchen, das ob seiner Eigenart ausnehmend gut gefiel, zu singen. Eine lyrische Tenorstimme sang das in einfachem Volkston gehaltene Liedlein „Salzburgs Glocken klingen leise..., begleitet von dem Geläute des Summchors „Wiiinum, booonum . . ., während in der Nähe eine Nachtigall leise flötend und trillernd hörbar wurde, — Weihestimmung — laue Sommernacht — stiller Garten Pergola — Lampions Als Felix, der hinter einem=Gebüsch verborgen, Philomelas Gesang so meister¬ haft, so diskret nachahmte, wieder in unsere Runde kam, dankte ihm Frau Lisbeth gerührt und küßte ihn auf die Stirne. Kurz darauf verabschiedete sie sich, während der Herr Kommerzienrat zurückblieb und auch uns Sänger zum Bleiben nötigte Felix war ob dieser Auszeichnung überglücklich und blödelte ganz hervorragend in lustigster Weise. Doch seine überschäumende Laune dauerte nicht allzu lange und wurde allmählich von einer nervösen Unruhe abgelöst. Mit schmerzlichem Gesichts¬ ausdruck sah er wiederholt in die Richtung der im Dunkel liegenden Villa, sodaß es den Anschein hatte, als wollte er ebenfalls dorthin enteilen, wo Frau Lisbeth schon längst im Schlummer lag. Sollte er die wohlwollende Freundlichkeit der liebens¬ würdigen Hausfrau in seinem Dusel falsch deuten? Ich ließ ihn nicht aus dem Auge. Vorsichtig spähte Felix nach allen Seiten, um dann, unbemerkt von den fröhlichen Kumpanen, zu verschwinden. Unsicheren Schrittes ging er vorerst die Richtung zur hinteren Gartengrenze, zur einsamen Straßenlaterne. Ich schlich ihm nach, bereit, das Argste zu verhindern. Doch bald klärte sich das sonderbare Be¬ nehmen meines Freundes Felix auf ganz prosaische Art, als er hinter schützenden Stauden ein geeignetes Plätzchen suchte. Nicht Liebesleid war es also, das ihn so sehnsüchtige Blicke nach der dunklen Villa werfen ließ, sondern der Most mahnte in brodelndem Rumoren der Gedärme zu entschlossenem Handeln, das keinen Aufschub duldete. Dort, im Wohnhause, auf bequemer Sitzfläche, wäre das sicherlich ein Vergnügen gewesen, was hier, im La¬ ternenscheine, bei schon fühlbaren Gleichgewichtsstörungen, zur riskanten Strapaze wurde. Als es so weit war, näherte ich mich lautlos mit einer vorgefundenen Garten¬ schaufel, steckte diese behutsam durch das Gebüsch und hielt sie just an jenen Ort wo das Resultat der diskreten Bemühung in Empfang zu nehmen war. Dann noch ein leises, vorsichtiges Zurückziehen der inhaltsschweren Schaufel und verschwunden war das heimtückische Produkt landessäuerlicher Eigenheit. Es ist jammerschade, daß die nachfolgende Szene der Nachwelt verlorengehen mußte und nicht verfilmt werden konnte. Der junge dramaturgische Nachwuchs hätte viel lernen können von der mimischen Verwandlung heroischen Heldentums in ein armseliges Elends¬ häufchen, sozusagen ein Strähnchen zerrauften Zwirnes. Felix richtete sich nach vollbrachter Tat in seiner ganzen Größe auf. Breitspurig stand er da. Nicht nur die physische Erleichterung widerspiegelte sich in dem trotzigen Ernste seines Ant¬ 71

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