Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

sehen mir entgegen. Sie hatte es gut in ihren alten Tagen; ihre Pflegetochter hatte geheiratet, und die jungen Leute, die nun die Wirtschaft übernahmen, hegten und verehrten sie wie eine Mutter. Und wieder saß ich jetzt behaglich an ihrem Teetisch, die roten Levkoien dufteten von den Fensterbrettern noch wie sonst, sogar der lek¬ kere Kuchenteller fehlte nicht unter dem blankpolierten Messingstülp; nur daß statt alten Ehepaares jetzt ein junges da war und statt des aufhorchenden Knaben des schon dem Alter entgegengehender Mann. Aber die Sitte, die geistige Luft des ein Hauses, war dieselbe geblieben, und Lenas braune Augen blickten noch so klar und wie immer. klug zwei Sie hatte noch die Freude, aus den beiden Töchtern ihrer Schwestern ehe¬ wohlangesehene Predigerfrauen und aus ihrem einzigen Neffen einen der ang sollte neren Arzte jener großen Stadt werden zu sehen. Der Ausgang des Lebens ihr nicht leicht werden. Eine jener Krankheiten ergriff sie, die sich an den Menschen anhaftet und wie ein fressendes Tier, das er nicht abschütteln noch ausreißen kann, sondern jahrelang mit sich herumtragen muß, bis er ihm endlich erlegen ist. In ihrem letzten Lebensjahre war ich als einer der dazu erforderlichen Zeugen bei der Niederschrift ihres Testamentes zugegen. Sie hatte sich zu dieser feierlichen Hand¬ lung aufs sorgfältigste kleiden lassen und empfing uns ernst und ruhig; ihr Antlitz schaute noch unverstellt aus der weißen Haube mit dem lila Seidenband; nur ihre Gestalt war jetzt zusammengesunken. Vorher nahm sie mich in die Nebenkammer und sprach über ihren bevorstehenden Tod und die jetzt vorzunehmenden Verfügun¬ gen, nicht ihrer Leiden, sondern nur mit Dank der Liebe gedenkend, die sie während desselben von den Ihrigen empfangen hatte; nur eine Besorgnis äußerte sie dabei: sie fürchte, ihr sonst noch kräftiger Körper möge sie noch lange auf das Ende warten lassen. Und lange hat es gedauert. Ihr wurde keine Qual, kein Entsetzen jener furcht¬ baren Krankheit erspart. Um das Hauswesen der jungen Verwandten nicht gar zu sehr mit ihrem Leid zu stören, begehrte sie in der letzten Zeit wiederholt, in eine kleine, nach dem Hof hinaus liegende Kammer gebracht zu werden. Aber freilich, für Tante Wies, solange sie noch da war, durfte nichts zu gut sein; und so blieb sie denn bei ihren Blumen, in der freundlichen Stube, wo die Erinnerung aller guten Stunden ihres Lebens bei ihr war. Mitunter während ihrer Krankheit empfing sie auch den Besuch des Ortsgeist¬ lichen; aber Lena Wies hatte über Leben und Tod ihre eigenen Gedanken, und es lag nicht in ihrer Art, was sie durch lange Jahre in ihr aufgebaut hatte, auf Zu¬ reden eines Dritten in einer Stunde wieder abzutragen. Still und aufmerksam folgte zu sie den Auseinandersetzungen des Seelsorgers; dann, mit ihrem klugen Lächeln ihm aufschauend, legte sie sanft die Hand auf seinen Arm: „Hm, Herr Propst, Se kriegen mi nich!“ Und er, in seinem Sinne, mag dann wohl gedacht haben: Wehre dichnur! Die Barmherzigkeit Gottes wird dich doch zu finden wissen. Als ich zum letzten Male in ihre Stube trat, erschrak ich bei ihrem Anblick ihr Gesicht war ganz entstellt. Meine Bewegung entging ihr nicht; aber selbst denn Tode suchte sie mit ihrer guten Laune zu begegnen. „Ja, kiek man mal! Wo dem ick ut!“ rief sie, scheinbar mit der alten Munterkeit, mir entgegen. seh Das war das letztemal, da ich Lena Wies gesehen habe. Noch einige schwerste Leidenswochen folgten; dann hat auch sie das trauliche Häuschen mit dem engen Kirchhofsgrab vertauscht, in dem sie jetzt bei ihren Eltern ruht. Mitunter an stillen Sommervormittagen besuche ich die alten Freunde meiner Jugend und lese die Inschrift auf ihrem Grabkreuze. Auch hier singen dann die Grillen, aber es sind nicht die Heimchen des häuslichen Herdes, und Geschichten werden bei ihrem Gesange nicht erzählt. WIR STEHEN IM TRAUERFALL MIT RAT UND HILFE ZUR VERFUGUNG! STADT. BESTATTUNG, STEYR, KIRCHENG. 1, Tel. 23 71. Nachtruf 270 85. 51

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