Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

Ich muß hier, obgleich es einen nicht zu beseitigenden Vorwurf für ihn enthält, bekennen, daß mein alter Freund Johann Wies, ich weiß nicht weshalb, ein uner¬ bittlicher Verfolger dieser musikalischen Tierchen war. Oft, wenn er mit seinem ehr¬ würdigen Gesicht unter der blauen Zipfelmütze, mit den friedlich gefalteten Händen in seinem Lehnstuhl saß, habe ich ihn darauf ansehen müssen, wie doch der gute alte Mann so grausamer Dinge fähig sein könne. Aber jetzt dachte Johann Wies an keine Heimchenjagd; unter dem Schutze der Dunkelheit sangen sie sicher in ihrem warmen Backhause; und während ich ihnen unter der alten Wanduhr zuhörte, die bescheiden dazu den Takt schlug, war auch schon Lena hereingetreten, von der Arbeit gesäubert, in frischer weißer Mütze mit schmal gefältetem Strich, und setzte Teegeschirr und Abendbrot auf den mit Wachs¬ tuch überzogenen Tisch, der dicht unter Mariä Verkündigung und den blanken Mes¬ singknöpfen seine Stelle hatte; bald kamen auch die beiden Alten und nahmen je zu einer Seite des Ofens Platz, Mutter Wies, die vom Lande war, trug ihr graues Haar unter ein Käppchen zurückgestrichen, wie man es früher bei unseren Bäuerin¬ nen sah; ihre fleißigen Hände waren, wovon an unserer Küste das Alter selten verschont bleibt, mit Gichtknoten besetzt und zitterten, wenn sie die Tasse an den Mund führte; gleichwohl, sobald wir unsere Mahlzeit beendet hatten, holte sie ihr Spinnrad aus der Ecke, und dem Tagewerk folgte nun noch das Werk des Abends. Dann wurde der duftende Teller aus seinem Versteck unter dem Messingstülp hervorgezogen, und Johann Wies lehnte sich behaglich in seinen Lehnstuhl zurück. Auch ich saß oder vielmehr ritt auf einem solchen; denn es war eine von jenen nun verschwundenen Raritäten, die dem Sitzenden die eine Ecke entgegenstrecken; und zwar war er, mir unvergeßlich, mit einem bunten Flickenpolster ausgestattet. Und dann erzählte Lina Wies in gedämpftem Ton, mit einer andachtsvollen Feierlichkeit; und mochte es nun die Sage von dem gespenstischen Schimmelreiter sein, der bei Sturmfluten nachts auf den Deichen gesehen wird und, wenn ein Unglück bevorsteht, mit seiner Mähre sich in den Bruch hinabstürzt, oder mochte es ein eigenes Erlebnis oder eine aus dem Wochenblatt oder sonstwo aufgelesene Ge¬ schichte sein, alles erhielt in ihrem Munde sein eigentümliches Gepräge und stieg wie aus geheimnisvoller Tiefe leibhaftig vor den Hörern auf. Oftmals griff die alte Mutter in ihr Rad und ließ es stillestehen, oder nickte aus seiner Ecke Johann Wies behaglich blinzelnd herüber; und dazu tickte die Uhr und sangen aus der Ofen¬ wand die Heimchen. In den Pausen wurden zwar auch die Pfeffernüsse und die Bratäpfel keineswegs verschmäht; aber lange hielt ich doch nicht Ruhe, und Lena war ebenso unerschöpflich, als ich unersättlich war; sie legte wieder die Hände in¬ einander, und den Kopf ein wenig übergebeugt, begann sie eine neue Geschichte, wo¬ bei sie langsam die Daumen umeinander bewegte. Aber nicht nur die Kunst des Erzählens, auch die Achtung vor ernster Sitte lernte ich in diesem guten Hause. Ein kleiner Vorfall ist mir unvergeßlich ge¬ blieben. Die Tochter aus einer angesehenen Familie hatte sich mit einem Herrn ver¬ lobt, dessen Aufführung man nicht das beste Zeugnis geben wollte; die kleine Stadt war voll davon, in und außer den Häusern wurde in Ernst und Spott darüber ge¬ redet, und auch an unserem Teetisch kam das Gespräch darauf. Da, in knabenhafter Unbedachtsamkeit, und da es mich drängte, doch auch meinen Teil dazuzugeben, ent¬ fuhr mir ein wenig sauberes Wort, das ich, Gott weiß wie, von der Straße auf¬ gelesen hatte. Augenblicklich stockte die bisher lebhafte Unterhaltung, Lena sah auf SICHER, BILLIG UND BEOUEM MACHEN SIE IHRE URLAUBSFAHRT MIT DEN REISEOMNIBUSSEN DER STADTISCHEN UNTERNEHMUNGEN. UN¬ VERBINDLICHE BERATUNG IM REISEBURO STEYR, KIRCHENGASSE 1. Telephon-Nr. 23 71, 23 72 49

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