Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

Hanna war immer bei uns. Da unsere Mutter keine Zeit hatte, liefen wir wie die Hündchen hinter der Magd her. Ich kann mir noch heute nicht denken, wie es ihr möglich war, ihre Arbeit zu leisten. Sie muß hundert Hände gehabt haben. Sie wusch uns die kleinen, verschmierten Gesichter und flocht Susis spärliches Haar zu dünnen Zöpfchen. Am Abend, wenn alle Arbeit getan war, lief sie mit uns rund ums Haus und schwenkte uns in die Luft, wenn sie uns erwischt hatte. Später steckte sie die Zöpfe auf und wuchs noch ein gutes Stück dazu. Sie war ein großes, grobknochiges Mädchen mit blühenden Farben. Noch immer war sie für mich die schönste Frau. Mir gefielen ihre breiten, roten Hände und ich bewunderte sie sehr, weil sie so große Schuhe brauchte wie Vater. Mutters Schuhe verschwanden ganz daneben und sie tat mir immer ein bißchen leid deshalb. Tausend Erinnerungen an Hanna steigen auf. Ich sehe sie im Stall zwischen den Kühen. Jeden Samstag nahm sie alle vor und striegelte und kämmte sie, bis sie weiß und glänzend dastanden mit seidigen Fellen. Einmal durfte ich versuchen, zu melken. Es kam wirklich ein wenig Milch und ich war stolz und beglückt, als Hanna es zu Mittag erzählte. Mutter hatte es nicht gern, wenn wir uns im Stall auf¬ hielten. Sie sagte dann: „Ihr stinkt schon wieder', und warf Hanna einen ärgerlichen Blick zu. Der Samstag=Vormittag war immer ungemütlich. Da wurde im Haus geputzt Wirdurften nirgends hinsteigen, überall war der Boden beängstigend sauber und mankonnte die Abdrücke unserer kleinen Schuhe sehen. Dann wurde die Magd böse. Ihre blauen Augen blitzten zornig und ihre Wangen wurden noch röter. Sie schlug uns das nasse Reibtuch um die nackten Beine und wir ergriffen die Flucht. Nachmittags war sie dann wieder heiter und gut. Sie putzte die Türklinken Geschichten im ganzen Haus und wir trippelten neben ihr her und ließen uns wahre erzählen. Siehatte nämlich sechzehn Geschwister, die wir immer verwechselten, was Hanna in wahre Lachkrämpfe versetzte. Sie merkte gar nicht, daß wir uns noch dümmer stellten, als wir waren. Gelt, Hanni, der Sepp, das ist dein Bruder, der in Hüttendorf verheiratet ist? Dabei wußten wir genau, daß es der Zweijährige war. Gespannt warteten wir auf ihr Lachen. Es kam immer. Dann wurde der große Herd mit Schmirgelpapier geputzt, immer wieder, bis er funkelte vor Sauberkeit. Wir saßen auf dem kleinen Schemel, stellten dumme Fragen und Hanna beantwortete sie geduldig. Sie hat uns nie geküßt, aber manchmal, wenn niemand dabei war, preßte sie unsso fest an die Brust, daß sich die Knöpfe ihres Kleides schmerzhaft gegen uns drückten. Noch viel gab es zu tun am Samstag. Der Brunnen wurde ausgelassen und gekehrt und wir sahen neugierig in den grünbemoosten Ausguß, aus dem, wie uns dasMädchen versicherte, ab und zu der Wassermann seine langen Finger streckte. Sie hatte es jedenfalls schon gesehen, immer am Morgen, wenn wir noch im Bettlagen. „Es ist überhaupt besser, wenn man ihn nicht sieht, das macht nur traurig. Dabei glänzte ihr Gesicht von Fröhlichkeit. Über Hanna hatte er keine Macht, derWassermann Aufregend war es auch immer sehr, wenn der Schweinestall gesäubert wurde unddie Schweine in den Hof laufen durften. Ich wußte nie genau, ob ich sie mochte oder nicht. Sie waren so unbegreifliche Geschöpfe und keinem vernünftigen Zuspruch zugänglich. Wenn ich mit einer Kuh redete, sah sie mich groß an und schleckte mir dann das Gesicht ab. Ich wußte: Sie hatte mich verstanden. Aber die Schweine fuhren borstig und ungezogen von einer Ecke in die andere und stießen mich mit dem Rüssel, daß ich beinahe umsiel. Dazu grunzten sie un¬ freundlich. 35

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