Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1956

„Schweigen Sie, um Gottes willen, schweigen Sie! Sie zerreißen mir das 7 Her 1 „Ja, ich weiß, ich fühle es, daß Sie die meine geworden wären, aber ich un¬ glückseliges Wesen!. .. Ich bin schon verheiratet!“ Marja Gawrilowna blickte ihn betroffen an. „Ich bin verheiratet“, fuhr Burmin fort, „ich bin schon seit mehr denn drei Jahren verheiratet; ich weiß aber nicht —wer meine Frau ist, auch nicht, wo sie ist, und ob ich sie je in meinem Leben wiedersehen werde!“ „Was sagen Sie da!?“ rief Marja Gawrilowna. „Wie ist das seltsam! Aber fahren Sie nur fort... Ich werde Ihnen später erzählen... fahren Sie nur fort, tun Sie mir den Gefallen.“ 45 „Zu Beginn des Jahres 1812“ sagte Burmin, „eilte ich nach Wilna, wo mein Regiment lag. Als ich einmal am späten Abend auf einer Poststation eintraf, befahl ich, die Pferde so schnell als möglich zu wechseln; doch da erhob sich ein furchtbarer Schneesturm; der Postaufseher und die Kutscher rieten mir, abzuwarten. Ich folgte ihrem Rat, aber eine unerklärliche Unruhe bemächtigte sich meiner; mir war zumute, als würde ich von irgendeiner Macht getrieben. Inzwischen hatte der Schneesturm immer noch nicht nachgelassen; ich hielt's nicht aus, befahl dem Kut¬ scher anzuspannen und fuhr mitten in den Sturm hinein. Der Kutscher wollte den Fluß entlang fahren; hierdurch wäre der Weg um drei Werst gekürzt worden. Die Ufer waren verschneit; der Kutscher fuhr an der Stelle vorbei, wo man auf den völlig Weg hätte hinauskommen müssen, und so kam es, daß wir uns in einer fremden Gegend befanden. Der Sturm ließ nicht nach; ich erblickte einen Licht¬ schimmer und befahl, darauf loszufahren. Wir kamen in ein Dorf, in der Holz¬ * kirche war Licht. Die Kirche war geöffnet; auf dem Vorplatz hielten einige Schlit¬ ten; auf der Kirchenrampe gingen Menschen hin und her. „Hierher! Hierher!“ riefen etliche Stimmen. Ich befahl dem Kutscher, heranzufahren. „Aber was ist denn los?! Warum kommst du so spät!?“ sagte jemand. „Die Braut ist ohnmächtig geworden; der Pope weiß nicht, was er tun soll; wir waren drauf und dran, zu¬ rückzufahren. Mach schnell! Ohne ein Wort zu sagen, sprang ich aus dem Schlitten und betrat die Kirche, die von zwei oder drei Kerzen spärlich erhellt war. Ein Mädchen saß auf einer Bank in einer dunklen Ecke der Kirche; eine andere rieb ihr die Schläfen. „Gott sei Dank!“ sagte die letztere, „endlich sind Sie da! Sie haben das Fräulein baldzu 75

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