Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1956

Teufel ihn nicht hätte entdecken können. Ohne meinen kleinen Vetter Fortunato hätt' ich ihn niemals finden können. „Fortunato!“ rief Mateo. „Ja, der Gianetto hatte sich in dem Heuhaufen dort verborgen; aber mein kleiner Vetter hat mir das Ver¬ steck gezeigt. Auch werd' ich's seinem Onkel, dem Korporal, erzählen, damit e0. er ihm dafür ein schönes Geschenk S schicke. Und sein und dein Name wer¬ den im Rapport sein, den ich dem S Staatsanwalt senden werde.“ 20 „Verflucht!“ sagte Mateo ganz 7 leise. Sie waren bei der kleinen Truppe angekommen. Gianetto lag schon auf der Tragbahre und war zum Aufbruch bereit. Als er Mateo in der Gesellschaft von Gamba sah, lächelte er auf seltsame Art; dann wendete er sich nach der Tür des Hauses, spie auf deren Schwelle und sagte: „Haus eines Verräters! Nur ein den Tod herbeiwünschender Mensch konnte dieses Wort Verräter gegen Mateo gebrauchen. Ein tüchtiger Stilettstich, der nicht hätte wiederholt wer¬ den brauchen, hätte sofort die Beleidigung gelohnt. Indessen machte Mateo keine andere Gebärde, als daß er die Hand an die Stirne führte, gleich einem zu Boden gedrückten Menschen. Fortunato war in das Haus getreten, als er seinen Vater nahen sah. Er kam bald wieder mit einer Tasse Milch, die er mit niedergeschlagenen Augen dem Gia¬ netto darbot. „Weg von mir!“ schrie ihm der Geächtete mit zermalmender Stimme zu. Darauf wendete er sich zu einem der Voltigeure. „Kamerad, gib mir zu trin¬ ken“ sagte er. Der Soldat legte ihm seine Feldflasche zwischen die Hände, und der Bandit trank das Wasser, das ihm ein Mensch gab, mit dem er noch vor kurzer Zeit Gewehrschüsse gewechselt hatte. Darauf bat er, daß man ihm die Hände statt im Rücken kreuzweise über der Brust zusammenbinde. „Ich liebe es“, sagte er, „be¬ quem zu liegen“. Man beeilte sich, ihn zufriedenzustellen; dann gab der Adjutant das Zeichen zum Aufbruch, sagte Mateo Lebewohl, der ihm aber nicht antwortete, und stieg beschleunigten Schrittes die Ebene hinunter. Zehn Minuten verstrichen, bevor Mateo den Mund öffnete. Das Kind schaute mit unruhigen Augen bald zu seiner Mutter, bald zu seinem Vater, der, auf sein Gewehr gestützt, ihn mit einem Ausdruck wachsenden Zornes betrachtete. „Du fängst gut an!“ sagte endlich Mateo in einer ruhigen, aber für den¬ jenigen schrecklichen Stimme, der den Mann kannte. „Vater“ rief das Kind, indem es, die Augen voller Tränen, vorwärtsschritt, um sich vor des Vaters Knie zu werfen. Aber Mateo schrie: „Bleib weg!“ Und das Kind blieb unbeweglich einige Schritte von seinem Vater entfernt stehen und schluchzte. Giuseppa trat näher. Sie hatte eben die Uhrkette bemerkt, deren eines Ende ausdem Hemd Fortunatos hervorsah. „Wer hat dir die Uhr gegeben?“ fragte sie in strengem Ton. „Mein Vetter, der Adjutant.“ Mateo ergriff die Uhr und warf sie mit Wucht gegen einen Stein, so daß sie in tausend Stücke zersprang „Frau“, sagte er, „ist dieses Kind von mir? Die braunen Wangen der Giuseppa wurden ziegelrot. „Was sagst du da, Mateo, und weißt du auch, zu wem du sprichst?“ „Wohl. So ist also das Kind hier der erste seines Geschlechts, der einen Ver¬ rat begangen.“ Das Schluchzen und die Seufzer Fortunatos vermehrten sich, und Mateo hielt seine Luchsaugen fortwährend auf ihn gerichtet. Schließlich stieß er den Kolben 39

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