Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1955

gen das große Schiff „Santa Maria“. Es ist heimlich zur Nacht aus Venedig ausgefahren, niemand hat davon gewußt, auch die Männer von Omis, denen sonst der Wind zuraunt, das dort und dort große Segel aufgestellt worden sind, haben keine Kunde von der „Santa Maria“. Es ist ein großes Schiff, es wächst hoch in den Himmel, und die Räuber erschrecken, wenn sie es erblicken; wenn nicht Jovo Cerna ihr Hauptmann wäre, vielleicht wurden sie es meiden. Der aber weiß, aus welchem Hinterhalt er es anfallen muß, sie rudern eine den Nacht vor ihm her, und in der grauen Morgenfrühe springen die Hunde sind Löwen an. Der Doge soll nur merken, das sie wilde Reißer sind. Es von viele tapfere Soldaten auf dem Schiff, es bringt den vornehmen Herrn Cardini mit einem Brief und einer Truhe voll Gold an den spanischen Hof. Das Schiffsholz raucht von warmem Blut, da bringen ein paar Leute ein Mädchen mit schneeweißem Gesicht vor Cerna. „Wer bist du?“ fragt Jovo Cerna das Mädchen. Es sieht ihm furchtlos in die blitzenden Augen. „Ich bin Angela Cardini.“ „Deinen Vater kann ich nicht mehr zum Leben bringen“, sagt der Haupt¬ mann. „Er ist euch Hunden nichts schuldig geblieben“ sagt das stolze Mädchen, es ist keine leere Rede, manche werden nach Omis nicht heimkehren und und immer im blauen Meere liegen. für Ein Blitz geht durch den Kopf des Hauptmanns. „Venedig wird uns nie etwas schuldig bleiben“, spottet er. „Es wird nie einen Handel haben mit euch.“ „Willst du ewig in Omis bleiben oder sollen wir dich an einen reichen Mann verkaufen? Räuber an, und es begegnen sich Auge Angela Cardini blickt den jungen ein paar Herzschläge lang. Mannes und Auge des Mädchens des schicket Botschaft an den Dogen, er soll „Gut“, sagt das Mädchen, „dann auslösen. mich erprobt der Hauptmann seinen Ruf. „Hast du keine Angst vor mir?“ „Du bist Jovo Cerna, ich weit", antwortete ihm Angela Cardini, „du dir ein bitteres Brot gewählt.“ hast „Mir schmeckt es süß.“ „Süß von Blut vielleicht. Man sagt, das Menschenblut süß ist.“ lacht der Räuber, „wir in Omis trin¬ 7 „Ich habe noch keines getrunken“ immer noch Wein.“ den „Der Tod der Leute wird über dich kommen“, weissagt das Mädchen drohend. „Ich werde dein Leben behüten“, lacht der Mann zurück, „das gibt dann zu Null.“ Null Die Räuber von Omis sind Füchse; ja, hatte der Doge sie Füchse geheißen, wäre nicht in das Blut von Jovo Cerna gegangen; es wäre wahr ge¬ das wesen. Sehet nur, wie sie einen Boten nach dem anderen nach Venedig schik¬ das Lösegeld für Angela Cardini sollen sie aushandeln und kommen da¬ den, zu keinem Ende. „Lasse dir Zeit!“ hat der Hauptmann zu jedem gesagt mit und ihm zugeblinzelt. Es gelüstet ihn also nicht mehr nach dem vollen Schiff, das nach Omis segeln wird und als leeres Schiff die Jungfrau mitnehmen soll. Sie sitzt an seiner Tafel, es dienen ihr ein paar Mädchen von Omis, Jovo Cerna bringt ihr einmal griechische Salben und wohlriechende Oele, ein ande¬ res Mal eine Goldspange für das Haar, einen Ring, sie nimmt die Gaben, einen Mann wie den wilden Hauptmann darf man nicht reizen. Es fliegen unsichtbare Pfeile von einer unsichtbaren Sehne zu ihm hinüber, aber er schickt sie ihr zurück; höret, wie sie einander mit Worten schlagen, nie werden Vene¬ die und Omis sich zueinander neigen, ewig sind sie geschieden wie Feuer und Wasser. 43

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