Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1955

Es war einmal Von Ludwig Ganghofer Es war einmal . .. wie Märchen klingt es Aus alter, hingestorb ’ner Zeit, Die Es war einmal ... wie Schwalben 50 singt es Ein Lied voll süßer Zärtlichkeit. Es war einmal. .. der Kindheit Freuden Erwachen neu mit diesem Wort Und aus dem Dornkranz kleiner Lei¬ den Strahlt meiner Jugend goldner Hort. winken stille Forsthaus seh' ich Das junger Bäume grünem Kranz Aus Uno seine Fenster seh' ich blinken Im hellen Morgensonnenglanz. Der weiße Hof mit seinem Leben, Die Des weiten Gartens Duft und Flor Und überall Gespinst von Reben, Das alles steigt vor mir empor. traute Ich seh' das liebe, Stübchen, Tisch, Estrich, Wände... alles weit Zwei Hände weichund voller Grübchen, Sie walten hier mit stillem Fleiß. Des Nachmittages goldner Schimmer Ich hör' das Spinnenrädchen schnur¬ Quillt durch die Fenster, dicht um¬ den. laubt... Bei, wie der Silberfaden fliegt! Den braunen Dackel hör' ich knurren, Es stiehlt ein Strahl sich tief ins Zimmer Der träumend unterm Ofen liegt. Und webt sich um der Mutter Haupt. Es tickt die Uhr, dieStunden rinnen, Der Kuckuck ruft sein flüchtig Lied... Was hörst du, Mutter, auf zu spinnen? Sind deine lieben Hände müd? Ach ja, es will der Tag sich wenden, Horch! Wie es raschelt um den Wei¬ Die Schatten werden schwarz und her! Es dunkelt schon der nahe Forst lang, Und hoch im Dämmer zieht der Reiher Das Lied der Schwalbe hör' ich enden Mit schwerem Flug nach seinem Horst. Der erste Unkenruf erklang. Die Sonne sank... aus goldnen Weiten Wars einen Schein sie noch ins Tal ... Vom Türmlein schwebt das letzte Läuten Sanft in die Luft... es war einmal. 36

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