Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

Monumente Karls VI. standen wir still und sahen ins Oesterreicherland hinaus, das mit seinen Felsen und Schluchten und seiner unabsehbaren Ebene vor uns ausgebreitet lag. Und als wir dann abwärts stiegen, da sahen wir drüben in klein wie eine den wilden Schroffwänden unseren Eisenbahnzug gehen — und über hohe Brücken, fürchterliche Abgründe setzen, an schwin¬ Raupe — delnden Höhen gleiten, bei einem Loch hinein, beim andern hinaus — ganz wunderlich. „'s ist auf der Welt ungleich, was heutzutag' die Leut' treiben“, murmelte Pate. mein „Sie tun mit der Weltkugel kegelscheiben!“ sagte ein eben vorübergehen¬ Handwerksbursche. der Als wir nach Maria Schutz kamen, war es schon dunkel. Wir gingen in die Kirche, wo das rote Lämpchen brannte und beteten. Dann genossen wir beim Wirt ein kleines Nachtmahl und gingen an den Kammern der Stall¬ mägde vorüber auf den Heuboden, um zu schlafen. Wir lagen schon eine Weile. Ich konnte unter der Last der Eindrücke und unter der Stimmung des Fremdseins kein Auge schließen, vermutete jedoch, der Pate bereits süß schlummere; da tat dieser plötzlich den Mund auf daß sagte: und „Schlafst schon, Bub?“ — „Nein“, antwortete ich. „Was meinst, Bübel, weil wir schon so nah' dabei sind, probieren wir's? ich ihn nicht verstand, so gab ich keine Antwort. Da „Was kann uns geschehen?“ fuhr der Pate fort, „wenn's die andern tun, warum nicht wir auch? Ich laß' mir's kosten.“ Er schwätzt im Traum, dachte ich bei mir selber und horchte mit Fleiß. „Da werden sie einmal schauen“ fuhr er fort, „wenn wir heimkommen sagen, daß wir auf dem Dampfwagen gefahren sind!“ Ich war gleich dabei. und „Aber eine Sündhaftigkeit ist's!“ murmelte er, „na leicht wird's morgen besser und jetzt tun wir in Gottes Namen schlafen. Am andern Tage gingen wir beichten und kommunizieren. Aber als wir sich dieweilen gar nichts heimwärts lenkten, da meinte der Pate nur, er wolle vornehmen, er wolle nur den Semmeringbahnhof sehen und wir lenkten unsere Schritte dahin. Beim Semmeringbahnhof sahen wir das Loch auf der anderen Seite. von Wien war angezeigt. Mein Pate unter¬ War auch kohlfinster. Ein Zug handelte mit dem Bahnbeamten, er wolle zwei Sechser geben und gleich hinter Berg, wo das Loch aufhört, wollen wir wieder absteigen. dem „Gleich hinter dem Berg, wo das Loch aufhört, hält der Zug nicht“, sagte der Bahnbeamte lachend. „Aber wenn wir absteigen wollen!“ meinte der Jochem. „Ihr müßt bis Spital fahren. Ist für zwei Personen zweiunddreißig Kreu¬ Münz. zer Mein Pate meinte, er lasse sich was kosten, aber so viel wie die hohen Herren könne er armer Schlucker nicht geben; zudem sei bei uns beiden ja Es half nichts; der Beamte ließ nicht handeln. Der Pate kein Gewicht da. — zahlte; ich mußte zwei „gute“ Kreuzer beisteuern. Mittlerweile kroch aus dem nächsten untern Tunnel der Zug hervor, schnaufte heran und ich glaubte schon, das gewaltige Ding wolle nicht anhalten. Es zischte und spie und ächzte da stand es still. Wie ein Huhn, dem man das Hirn aus dem Kopfe geschnitten, so stand zum Einsteigen gekommen; der Pate da und so stand ich da. Wir waren nicht 45

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