Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

begab er sich daher mit Bewilligung des Rates in den Dienst des Freiherrn Friedrich Hoffmann. Es wurde ihm jedoch aufgetragen, daß er sich der Stadt wieder zur Verfügung stelle, wenn er benötigt werden sollte!'). Ortner, der sich 1592 vermählte, bewohnte vom Jahre 1593 bis zu seinem Tode im Oktober 1615 die Schulräume im „Gemeinen Kasten“. Dieses Ge¬ bäude wurde zur Zeit der Reformation zu einem Armeninstitut eingerichtet, unterstand dem Bruderhausverwalter und befand sich in der nächsten Nähe des heutigen Stadttheaters!s). Fremde Aerzte, die vorübergehend in der Stadt ihre Kunst ausübten, be¬ gegnen uns selten. Nur 1578 ersuchte ein Leibarzt aus Bayreuth, jene Leute, so seiner begehrten, kurieren zu dürfen. Der Stadtrichter aber befahl ihm, von Steyr wegzuziehen und sich hier nicht betreten zu lassen, weil er mit seiner Arznei viele Leute verderbei) Der Stadtphysikus erhielt um 1600 als jährliche Besoldung 150 Gulden Rheinisch, gerechnet in „gutem barem Gelde“. Für eine Visite konnte er von vermögenden Bürgern fünfzehn, für eine Urin=Untersuchung in seiner Woh¬ nung acht und für ein Rezept zehn Kreuzer fordern. Ohne Wissen des Bürgermeisters durfte der Stadtarzt nicht verreisene S Seine Anwesenheit war vor allem not¬ K0 2 wendig in Zeiten der Infektionen. Anstek¬ 2 1610 S 19 1 8 kende Krankheiten waren im 16. Jahrhun¬ dert nicht selten, besonders heftig traten sie in den Jahren 1541/42, 1569/70 und 1 1584/85 auf*t). Wurde in der Stadt der Ausbruch einer Suche von einem Orte be¬ kannt, von dem aus sie vielleicht auch Steyr erreichen konnte, dann trafen Bür¬ germeister, Richter und Rat frühzeitig Maßnahmen, um die drohende Gefahr ab¬ 4 zuwenden. Als 1575 aus Kremsmünster, S Wien und Krems Infektionsmeldungen 4 XI 4 7 hier einlangten, wurde den hiesigen wali¬ chen Maurern verboten, Arbeiter aus die¬ 10 81 sen Orten aufzunehmen und der Bevöl¬ 820 kerung befohlen, die Schweineställe zu schließen? Trat nun trotz aller Fürsorge in der Stadt eine Seuche auf, so wurde die vom Rate unter Mitwirkung des Stadtphysikus Chirurgische Instrumente ausgearbeitete „Infektionsordnung“, den Stadtbewohnern bekanntgegeben. Die äl¬ Holzschnitt aus H. Brunschwig, Buch der teste vorhandene Ordnung dieser Art Chirurgia. Straßburg, Grüninger, 1497 stammt aus dem Jahre 1569, die sonder¬ barerweise nicht der damalige Stadtarzt, sondern der Prädikant Basilius Kamer¬ hofer entwarf“). Sie wird eingeleitet mit dem Pfalm 121: „Unser Hilf kommt vom Herrn, der Himmel und Erden gemacht hat. Im 1. Abschnitt folgen die An¬ ordnungen für den Pfarrer und das Ministerium. Unter anderem wurde verlangt, daß in „Pestilenzzeiten“ in der Kirche während des Gottesdienstes vorne im Chor um den Predigtstuhl und im rückwärtigen Teil geräuchert werde, wobei Eichen¬ laub und Holz von Wacholderstauden zu verbrennen waren. Infizierte Per¬ sonen, für die ein eigener Priester, der „Pestilentiales“, zu sorgen hatte, durften sich nicht unter das Volk mengen, doch die Kinderlehren und der Unter¬ richtsbetrieb mußten bei einem leichten Verlauf der Krankheit weitergeführt werden. „Dem Schulmeister aber soll man befehlen, daß er ein fleißig Aufsehen 107

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