Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

Haydns liebliches „Ständchen“ klang nun auf. Ich blieb in seiner Nähe stehen und gab mich ganz dem Glück des Lauschens hin und ließ dabei in heißen Tränen mein Weh aus den Augen rinnen. In der vertrauten Weise grüßte mich die Heimat. Wie schön das war! Und mir war es sichere Gewißheit, daß ein Lands¬ mann sie spielte, der so wie ich vom Schicksal aus unserer armen Heimat in dieFremde verschlagen war. Da gewahrte er mich. Forschend streiften seine Blicke mein Gesicht, sahen wohl auch meine Tränen. Mein erster Impuls war, wegzulaufen und ich tat es nicht. Mir war, als wollte mir der unbekannte Bruder noch etwas sagen auf seiner Geige; so wartete ich. Und wieder griff er zum Bogen und nun wanderte der Geigenton mit mir in die hohen Berge, jauchzte auf den grünen Matten und schluchzte sein Heimweh im innigen „Woi geh' und steh'“ des Erzherzog=Johann=Liedes. Was ich in dieser Stunde an Freude und Weh empfand, ist mir heute nach einem Jahrzehnt noch lebhaft in Erinnerung. Der Geiger mochte wohl die Erschüt¬ terung wahrnehmen, die in mir vorging, denn als er wieder sein Spiel be¬ gann,war es das feierliche und tröstliche „Largo“ von Händel, das meinem wunden Herzen eine große Köstlichkeit war. Der Glaube an das Leben, das nach bitteren Zeiten auch wieder glückhafte Tage zu verschenken habe, brach sich sieghaft in mir Bahn und nahm mir eine große Last vom Herzen. Auch dieses mochte mein Geiger aus meinem Mienenspiel lesen, denn er nickte mir aufmunternd zu. In mir aber wuchs die Zuversicht, daß über Land und Meer sich die Seelen finden müßten, die ein unsichtbares Band der Zusammengehörigkeit einte, um einander in dunkler Stunde Trost und Halt zu sein. Freundlich wollte es in mir an ein Schicksal glauben, das mir zur rechten Stunde in meiner Not durch das beseelte Spiel des Geigers half. Ich streckte ihm die Hand hin, die er mit warmem Druck umfing, und dankte ihm in heimatlicher Sprache für das, was er mir gegeben. Ein Leuchten trat in seine Augen, da er mir entgegnete: „Und ich will die Stunde segnen, die Sie mir gebracht hat. Auch Sie haben mir die Heimat hergezaubert und ich habe nicht nur Ihnen, sondern auch mir eine kostbare Stunde beschert, denn Sie haben mir so aufmerksam zugehört. Ich habe heute * wohl die seltsamste Konzertfolge gespielt, aber „Sie haben das Richtige getan, um mir wieder frohen Mut zu machen. O, wie bin ich Ihnen doch so dankbar“ unterbrach ich ihn. Heimlich ließ ich in seinen Hut, den er am Straßenpflaster stehen hatte, und der nur arme Kupfermünzen barg, ein schönes, großes Silberstück fallen. Gedankenvoll ging ich dann meines Weges, froh und aufgehellt, noch immer das seltsame Geigenspiel im Sinn, während der einsame Mann weiter im Toben des Großstadtlärmes an seiner Straßenecke stand, von niemand gehört, ein Fremdling und Vergessener. STRASSE J. Badhoder Telephon 581/II STEVR. 6 GFührend in (Damen- und. Kinderbekleidung für Stadt und. Land. ((Damenwäsche und Strickwaren). 32 111

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