Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950

„Ja, da hätt aa koa Mensch net denkt, daß er so bald ei'liefert. Ma hat nix okennt.“ eahm „No, no, woaßt, Franzl, dös viele Saufen ko net guat sei. Er hat scho a bißl z'naß gfuattert.“ „Dös' is wahr. Du, wo geh ma denn danach hi?“ „I moa halt, zum Sternbräu. Spiel ma an Tarock, da Weißlinger tuat a mit. Gel, Schorschl?“ „Ja, is ma grod recht. . . Bst! Bst!“ Man war vor dem offenen Grabe angelangt. Als unter den üblichen Zeremonien der Sarg versenkt war, entblößte der Pfarrer das Haupt und sprach: „Andächtige Trauerversammlung! Wir stehen vor dem offenen Grabe des tugendsamen Josef Seilinger, bürgerlichen Realitätenbesitzers dahier. Er ist geboren am 10. Oktober 1854, als der Sohn des Realitätenbesitzers Josef Seilinger und dessen Ehefrau Brigitta, und starb am 3. Januar 1899. Sein Leben war vergleichbar einem Strome, der ruhig dahinfließt. In seiner Ju¬ gend besuchte er drei Lateinklassen mit großem Erfolge, wie durch das Zeug¬ nis seiner Lehrer bestätigt wird. Alsdann zog er sich in sein elterliches Haus zurück und verblieb daselbst bis zu seinem Lebensende. Im Jahre 1879 vermählte er sich mit Fräulein Maria Hitzinger, Brauerei¬ besitzerstochter von hier, welche heute als trauernde Witwe in das Grab blicket. Der glücklichen Ehe entsprossen drei Kinder. So, geliebte Christen, ist seine Laufbahn ein Beispiel und eine Lehre für alle. Er war aber auch ein ordnungsliebender Bürger und ein gläubiger Katholik. Er war nie ein Zweifler, und der neue Geist, welcher jetzt so böse in der Welt umhergehet, hat ihn nicht beschädiget. Darum dürfen wir hoffen, daß er trotz seines schnellen Endes die Selig¬ keiterworben habe. Amen!“ Hier wollte der Gesangverein einfallen mit dem Liede: „Seht, wie sie so anft ruhen“. Aber nach den ersten Tönen brachen die Sänger ab: eine auf¬ fallende Bewegung ging durch ihre Reihen, und nach einer drückenden Pause trat der Vorstand an das Grab und erklärte, daß der Gesang infolge Unwohl¬ seins einiger Mitglieder nicht stattfinden könne. Damit war auch die Feierlichkeit zu Ende. Die Trauergäste entfernten sich rasch und besprachen mißbilligend das letzte Vorkommnis. „Da siacht ma's wieder, unsa Liadertafel. Bal ma sei Ruah habn möcht im Wirtshaus, nacha plärren s’ in oan Trumm, oan faden G'sang nach dem andern. Bal ma s’ aba braucht, ham s’ koa Stimm. I möcht bloß wissen, was da dahinter steckt.“ Die Neugierde wurde bald befriedigt, denn der Vorstand erzählte beim Sternbräu jedem, daß der erste Bassist, der Schreinermeister Bergmann, sich geweigert habe, zu singen. „Und wissen S', warum, meine Herren? Weil d’ Frau Seilinger ön Sarg net bei eahm hat macha lassen. I hab bitt und bettelt, daß er uns de Blamasch net atoa soll. Nix hat's gholfen. „Fallt ma goar net ei“ sagt er, „braucha de Protzen mein Sarg net, brauchan s’ mei Stimm a net'“ Was sagen S' da dazua, meine Herren? „Ja no!“ 104

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