Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

schönen Mund, und die dunklen Augen blickten geradeaus in ein fernes, unbe¬ kanntes Land. Trauer umschattete sie schwer und lastend. Als ich wiederkehrte, ging ich am nächsten Tage zu meinen Freunden, wo ich sie dieses eine Mal gesprochen hatte, Ich mit ihr zusammengewesen war. Im wollte Näheres von ihr hören. Wohnzimmer, am runden Teetisch saßen — Frau v. Volkener die Hausfrau und Und wieder durchfuhr mich ein lebhaftes Erstaunen. Ich sah nicht das, was ich erwartet hatte. Ich sah ein zartes, bleiches Antlitz, aus welchem die Augen noch größer, noch dunkler hervorschauten, ich ah eine sanfte Wehmut um den schmalen Mund — aber ich sah auch; daß nichts von Verzweiflung über diesem lieblichen Frauengesicht lag, sondern eine milde Ruhe, ja fast eine stille Zufriedenheit Sie erkundigte sich anteilnehmend nach meinem Ergehen, sprach über Bücher, die sie gelesen hatte, und die sie inner¬ lich berührten, erzählte von einer seltener Blume, die in ihrem Garten erblühen sollte. Alles mit einer ruhigen Selbst¬ verständlichkeit, nicht das Leben als werklos von sich schiebend, sondern es in ihre Harmonie zwingend. Ich begriff sie weniger denn je. Bestand sie nur aus Gegensätzen? In der Folgezeit suchte ich so oft als möglich, ihre Gegenwart. Ich fühlte es, sie kam mir entgegen, auch sie suchte meine Nähe. Ich ver¬ kehrle bei ihr, in ihrem Hause, eine schöne Freundschaft begann zwischen uns —es war zu keimen. An einem Abend sehr traulich in dem kleinen, matterhellten Gemach, in dem wir zusammen saßen, da wagte ich es zum erstenmal von der Zwiespältigkeit zu reden, die ich bei ihr beobachtet hatte. Von dem drückenden Ernst und der Schwermut, die über ihr lagen und von der sprudelnden Heiter¬ keit, der ausstrahlenden, ja fast über¬ erregten Belebtheit, in der ich sie auch gesehen hatte. Und wie seltsam es mich berührte, als ich sie dann nach ihrem herben Verlust so gelassen und gefaßt wiederfand. Sie hörte sehr aufmerksam □ 89 zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich chwieg, lief ein leises, wehes Lächeln um ihren Mund. „Wie gut Sie mich beobachtet haben! So will ich Ihnen von dem erzählen, was ich außer meinem Manne nie jemand gesagt habe, wenn auch vielleicht so mancher sich mein Wesen nicht erklären konnte. Ich habe ein Glück gehabt — das zu groß für daran lag — viel zu groß — mich war a es! Sie sehen mich erstaunt an ich war diesem Glück nicht gewachsen. Mein ganzes Ich hatte ich in die Seele meines Mannes versenkt, so restlos daß, wenn er nicht neben mir war, ich fast verging vor Sehnsucht, vor Furcht, irgend ein heimtückisches Geschick könnte ihm etwas ankun. Die Stunden waren mir leer, öde, dunkel. Es peinigte mich so, daß ich körperlich Vorstellungen mir litt. Ich machte bnissen, die über von allerlei Schre die ihn mir ent¬ ihn hereinbrachen. diese Gedanken um rissen! Ich arbeitete, es war ich fühlte — los zu werden immer kehrten sie etwas Krankhaftes wieder. Doch, sah ich nur seine Gestalt von erne, so war ich sofort von solch einer Freude erfüllt — daß alles andere ver¬ ank, vergessen war, nicht existierte. Ich mußte dann meine Seligkeit hinaus¬ ubeln, ich war wie erlöst, alles um mich war gut und schön, das Leben ein Reichtum sondergleichen. Aber im tiefsten Grunde meines Seins kauerte doch immer diese Angst um mein wunderbares Glück. War es eine Ahnung — daß es nur o kurz sein würde?... So wurde ich hin= und hergerissen, zwischen tiefer Finsternis und blendendem Licht, ich weiß auch nicht, ob ich es lange ertragen hätte. Nun ist es vorüber. Er ruht in Frieden. Der eine Tag ist wie der andere, ohne Erwartung, ohne Spannung. Die Aengste sind vergessen, was schön war, strahlt in verklärter Ferne, meine Seele hat ihr Gleichgewicht wiedererlangt und wartet still im Abendfrieden auf ihre Befreiungsstunde.

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