Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

72 Lida hinzutreten. In wenigen StundenHinweis auf die Vorsehung, die wir erwartet sie mich beim Frühstück. Wie Zufall zu nennen pflegen, jüngst ein soll ich das Schreckliche, das Unbegreif¬kleines Wunder begeben. liche erklären! Die alte Bibel, die ich seit jener Mein Entschluß ist gefaßt. In aller verhängnisvollen Nacht nie mehr zur Hast raffte ich meine Sachen zusammen,Hand genommen hatte, schlug ich „zu¬ packte den Koffer und melde im Büro ällig“ auf, irgend eines ihrer Worte mit meine sofortige Abreise. Noch bevor Lida dem eines modernen Philosophen zu meiner ansichtig werden kann, trägt mich vergleichen. der Dampfer über den See. Und siehe da —zwischen zwei Mag man immerhin sagen, das sei Seiten der Offenbarung Johannis, lag feige von mir gewesen, aber es gibt eindas vermeintlich längst zerstörte kleine Uebermaß von Beschämung, das keinendünne Blatt, nicht zerrissen, sondern da¬ anderen Ausweg zuläßt, als kopflose selbst sorgsam verwahrt. Nun war es Flucht. Von einer benachbarten Stadt freilich zu spät und unmöglich, es Lida zurückzugeben. aus schrieb ich an Lida, erzählte ihr alles wahrheitsgetreu und genau so, wie Das Blatt lag mit dem Rücken es sich zugetragen. Antwort erhielt ichnach oben auf der Bibelseite. Nur das nicht; ich hatte es auch nicht anders er¬Bild hatte ich damals betrachtet, nicht wartet. Ich habe sie niemals wieder¬ einen Rücken. Hier standen folgende Zeilen: gesehen, nie mehr etwas von ihr gehört. „Oft wenn wir meinen, in der Irre zu Dreißig Jahre sind seitdem ver¬ gehen, gangen. Ich blicke auf mein Leben zu¬ Führt uns ein gerader Weg zum Heile. rück, das mir zwischen mancherlei Freu¬ Trügerisches Glück, das uns den rechten den und Erfolgen auch ein gerüttelt Maß Pfad vorspiegelt, Während unter dem Rosengebüsch, von Leid beschert hat. Es war ein Leben Dicht vor uns’ren Schritten der Abgrund von guter Mittelsorte; das mit Lida gähnt. wäre wohl anders verlaufen. Schöner, Es war vielleicht ein letzter Gruß edler, berauschender? Oder hätte es zu der sterbenden Mutter an ihr Kind ge¬ schweren Erschütterungen, zu unsühnbarer wesen. Warnung und sorgende Weisheit Schuld, zu einer Katastrophe geführt? vom Rande des Grabes aus gesprochen. Gott allein weiß es. Ihr Geist hatte sich gegen unsere Ver¬ Nun hat sich aber, wie ein leiser bindung entschieden. Die Ringelblumen. Von Konrad Martin Laut. Von den im sanften Abendrot Umtrunk im Heurigengarten der Mutter glühenden Höhen des Wiener WaldesAurelia Hasselberger zu tun. schritt am zweiten Augustsonntag des Dem kleinen Zuge voran stelzte der Jahres 1826 eine lustige Kumpanei lange steirische Dichtersmann Mayrhofer junger Männer über Pötzleinsdorf zummit einem knallroten Sonnenschirm, der nahen Währing hinab, um vor der zwischen den saftgrünen Wiesen und Rückkehr nach Wien noch einen letztenstrohgelben, zum Teil schon abgeernteten

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