Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

48 Wirtsstube geredet hatte —— wie lange war's her? Erst gestern es schien ihm eine lange Zeit zu sein. Er schüttelte das Unbehagen ab, das ihn erfassen wollte, und lärmte mit den anderen Aber es war kein rechtes Lärmen mehr. Auch hatten die Leute schon zu viel ge¬ schrien am Tage. Jetzt kam die Nacht Sie wollten schlafen. * * * Am nächsten Tag, in gottseligen Morgenfrühe, hatte der Bauer Michae Frohdorfer, der unweit Vöcklabruck aus einem Wäldchen trat, um auf der Linzer Straße gegen Lambach zu wandern, ein still¬ Gesicht, das ihm das Herz schier stehen machte. Er rieb die Augen, das Gesicht zu verscheuchen, aber was er ge¬ sehen hatte, war wieder da. War da und bewegte sich langsam vor ihm in der Ferne der befestigten Stadt Vöcklabruck deren Türme und spiße Dächer zu, im Morgenglanz schimmerten. War da und und bewegte sich lautlos wie ein Ge¬ pensterzug dahin. Es war kein Gesicht, sondern entsetzliche Wirklichkeit, hinter der eine verhüllte Zukunft mit gerungenen Händen und tränenden Augen zu schweben schien. Ein langer reisiger Zug bewegte sich auf der Linzer Straße, lautlos, denn die Ferne brachte den Lärm des Zuges nich zum Gehör des Starrenden. Die Vöge sangen wie sonst, die Sonne schien wie sonst, aber der Zug schritt unerbittlich weiter, fest geschlossen, eine eiserne Schlange. Vorauf Trommler und Pfeiser. Aber sie trommelten nicht, bliesen nicht. Hernach glänzende Reiter mit wallenden Plü¬ maschen auf bunt gezäumten Rossen. Fußknechte mit geschulterten Spießen, Musketiere mit langen Musketen und Bombarden, die rauchenden Lunten in Händen, des Ueberfalls gewärtig. Dann Reiter zu vier und vier, ein langer Zug sie trugen Mäntel, wie sie die Krobater und Wallonen trugen, rot und weiß Dann schwarzgerüstete Reiter, wie Tod¬ geweihte mit schwarzen Helmbüschen, das lange Pistol vor sich auf dem Sattelknopf aufgestützt, die gefürchteten Pappenheimer. Das war der Herberstorf mit seinem Stab, mit seinen Fußknechten, Muske¬ tieren und Reitern. Hinter diesen die Stücke, von starken Rossen gezogen, dann etliche Wagen, Troßknechte und bepackte Maultiere. Und weit zurück, einen Büchsenschuß hinter den letzten Troßknechten ein einsamer Reiter in roter Gugel und rotbraunen Wams, der ein riesig Schwert in der Holzscheide geschultert trug: Der Meister Heinz Purgstaller von Linz der Henker. Fröhlich blitzte die Morgensonne über den reisigen Zug und entlockte ihm ein Flimmern und Blitzen, das den Augen weh tat. Und es war gar so beklemmend, daß der Zug so lautlos dahinzog, wie das Schicksal. Der Bauer rieb sich nochmals die Augen, dann starrte er wieder wie ge¬ bannt auf den Zug. Endlich sprang er in den Wald zurück und rannte davon. Nur fort, nach Haus, ins Haus und tief in das Stroh hinein, daß er nichts mehr sehe und höre. * * * Von Vöcklabruck aus erließ der Statthalter ein Mandat, das mit großer Schnelligkeit verbreitet wurde. Er forderte die bewaffneten Rottierer und Rebeller auf, allsogleich auseinanderzugehen und die Rädelsführer auszuliefern, ansonsten er gegen die aufrührerischen Bauern und Bürger mit der Schärfe des Schwertes und des Gesetzes vorgehen. Wenn seinem Befehl Folge geleistet sei, werde er für Bitten und Beschwerden ein geneigtes Ohr und ein gnädig Herz haben. Wer aber die Waffen nicht ablege, sondern dabei verharre, sträfliche Selbsthilfe sich anmaßen zu wollen, der werde an Leib und Leben gestraft werden und Haus und Hof verlieren. Das scharfe Mandat, das doch wieder gerechteMilde zwischen den Zeilen zu bergen schien, flog von Mund

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