Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

„Sieh da, Heinz! — Schon so früh unterwegs, dich treibt wohl der Moses aus dem Bett. Hat er etwas von sich hören lassen?“ Der junge Mann biß sich nervös auf die Lippen. — er suchte mich gestern in „Ja meiner Wohnung auf und wartete, bis ich nach Hause kam. „Auch ich war gestern bei dir Heinz, wo warst du?“ Der junge Mann antwortete nicht. Still trat er an das Fenster und sah hinaus. „Ich will Dir keine Vorwürfe machen. mein lieber Junge, ich selbst war gestern unsolide, aber das kennt man ja bei mir, daß weiß man nun einmal nicht anders Ich bin das schwarze Schaf in der Familie, der Verschwender, der Spieler. Aber du — du hast Pflichten, Ver¬ antwortungen. — Denke an die Ehre der Familie, an das Wappenschild deiner Ahnen. „Oh, Onkel, höre auf! Ich weiß ja das alles. Mein Vater schreibt es mir die Woche siebenmal. — Willst du hast du irgend etwas unternommen? Moses will nicht mehr länger warten. Er hat mir eine letzte Frist bis morgen mittag gestellt, dann will er dem alten Herrn schreiben. Es ist schrecklich! Nie — wieder „Pst, mein Junge. Dieses Gelübde lege vor Dir selbst ab. 3000 Mark sagtest Du?“ „Ja, Onkel. Dann aber noch das andere „Ich weiß. Ich habe gestern mit dem Fräulein gesprochen. Ich habe deine Briefe bekommen. Es kostete außer vielen Worten 2000 Mark, bis sie sich dazu verstand, deine kostbaren Episteln abzu¬ geben. Sie hat mir einen oder zwei vor¬ 7 gelesen. Mein Junge, nimm es mir nicht übel, aber ich war einfach paff, als ich all' den Unsinn hörte. Der Onkel öffnete bei diesen Worten eine Brieftasche und zählte seinem Neffen 3000 Mark hin. „Ich an Deiner Stelle würde ge¬ radewegs zu Moses gehen und dann, laß dir noch einen guten Rat geben: Sieh zu, daß du ordnungsgemäße na, du Quittung erhältst, sonst weißt ja.“ Der Aeltere lachte kurz und bitter auf. „Du wunderst dich, wie ich zu dem vielen Gelde komme? — Nun, ich habe Glück gehabt und dann du weißt ja — die Ehre der Familie die Ehre der Familie. Na, ich dachte ich könnte das Geld nicht besser an¬ wenden, als damit deinen Namen rein¬ halten. Der Jüngere nahm das Geld und verbarg es sorgfältig in seiner Brief¬ tasche. „Du wirst ihm doch nichts sagen?“ fragte er. — Dem alten Herrn! Ich „Jehl bin zwar das schwarze Schaf der Familie, aber nicht das dumme Schaf. Nur um eines bitte ich dich noch, Heinz: Mi߬ brauche meine Hülfe nicht, denn ich fürchte, ich könnte nicht nochmals soviel Geld aufbringen. Heinz nahm Hut und Stock. Meinen herzlichsten Dank, lieber Habe keine Sorgen, der alte Onkel. — Herr schrieb mir heute, ich sollte für die Ferien nach Hause kommen. Ich glaube, ich fahre noch heute. „Tue das, mein Junge, und dann überlege, ob du nicht besser nach den Ferien auf eine andere Universität gehst, wo du ruhiger leben und vor allen Dingen auch studieren kannst.“

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