Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

6 „Du hast doch vergangenen Monat dein Geld für das kommende Vierteljahr erhalten. „Das stimmt. Aber im vorigen Monat verlor ich viel Geld auf dem grünen Rasen.“ Der Aeltere schwieg, hastig schritt er einigemal im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor seinem Bruder stehen. „Es kommt mir auf das Geld nicht an, lieber Bruder, ich würde deine Ein¬ künfte verdoppeln, ja verdreifachen, wenn du nur deinen Lebenswandel ändern wolltest. — Du glaubst nicht, was mir nicht alles über dein Treiben von guten Freunden hintertragen wird! Oft muß ich mich wirklich wundern, daß du noch nicht mit den Gerichten in Konflikt ge¬ kommen bist.“ „Wärst du der Jüngere, würdest du das Leben auch mit ganz anderen Augen ansehen als jetzt. — Die Ehre der Familie, das glaube mir, ist mir ebensoviel wert wie dir, nur ist sie nicht stets mein drittes Wort. „Wärst du der Erstgeborene, dann würde unser altes, schönes Besitztum längst über die Spitze des Schloßturmes hinweg mit Hypotheken überlastet sein Du kannst immer haben, was du willst, nur um eines bitte ich dich inständig, — halte unseren Namen rein! Laß meinen Sohn nicht einen Flecken au unserem Wappenschilde vorfinden, wenn er dereinst das Erbe unserer Väter an¬ — Wieviel willst du haben? tritt. 5000 Mark. Es soll selbstverständlick kein Geschenk sein, nur ein Vorschuß. Es muß demnächst abgezahlt werden. Der Graf trat an seinen Schreib¬ tisch und füllte einen Scheck über die gewünschte Summe aus. „Es tut mir leid“, sagte er, als er seinem Bruder das Papier reichte, „daß du nicht zu Tisch hier bleiben kannst. Ich weiß, es hat keinen Zweck, dir einen guten Rat mit auf den Weg zu geben, aber, wenn du dich etwas weniger mit Karten und Pferden abgeben wür¬ dest, könntest du sicher noch ein sehr brauchbares Mitglied unserer Familie werden. So ist dein Leben wirklich ein Skandal, ein ——“ „Lieber Bruder, ich kann nicht gleich¬ zeitig deine Beleidigungen und deinen Scheck einstecken; da ich deinen Scheck momenkan nicht entbehren kann, bitte ich dich, mir deine Beleidigungen zu ersparen.“ Schnell griff er nach seinem Hut, der neben ihm auf dem Stuhle lag und schritt zur Tür. Jedoch, bevor er den Raum verließ, schien ihm in seiner angeborenen Gutmütigkeit sein Benehmen doch zu schroff gewesen zu sein, rasch trat er in das Zimmer zurück und reichte seinem Bruder die Hand. „Meinen Dank für das Geld“ agte er. „Spielschulden müssen bezahlt werden — Ehrenschulden, es geht um die Familienehre. — Lebewohl. An der Tür zauderte er nochmals und sagte dann zögernd: „Schreibe nichts davon an Heinz. Es wäre mir nicht recht, wenn der Junge schlechtes von mir denken würde.“ „Derartige Sachen halte ich ge¬ flissentlich von ihm fern“, erwiderte der Graf kalt. —— — Mit einem schweren Seufzer stieß Albrecht die vor ihm liegenden Papiere zurück. Soviel er auch rechnete und rechnete, das Resultat blieb immer das¬ elbe. Er sprang plötzlich auf und ging im Zimmer auf und ab. Sein Blick fiel auf die Sportbilder, die überall an den Wänden hingen. Ein wehmütiges Lächeln glitt über seine Züge, das war nun alles vorbei für diese Saison. Er konnte un¬ möglich, nachdem er von seinem Ein¬ kommen von 10.000 Mark die Hälfte abgehoben hatte, so weiter des Lebens ungemischte Freude genießen. Am besten wäre es Es klopfte, und in der Tür erschien ein schlanker Jüngling, kaum zwanzig¬ ährig und doch lag schon um seinen Mund ein leichter, verlebter Zug, und um seine Augen zogen sich dunkle Ringe. „Tag Onkel.“

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