Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1924

Wort wird bei Gericht wohl mehr Glau¬ ben finden als das eines Zigeuner¬ mädchens.“ Einige Wochen später stand der junge Csikos Ferencz Nyulassy vor seinen Richtern. Was nützte es ihm, daß er bei Gott und allen Heiligen schwor, daß er an dem ihm zur Last gelegten Verbre¬ chen unschuldig sei, daß er den Geza Achvala nicht erschossen, daß er auch nicht wisse, wer die Tat begangen habe: Graf Achmilin gab seine Anklage unter seinem Eide ab und da der Ange¬ klagte für seine Schuldlosigkeit keinen anderen Beweis als seine Beteuerung, daß er unschuldig sei, beibringen konnte, mußte er nach dem Gesetze verurteilt werden. Das Urteil lautete auf den Tod durch den Strang. Zur Vollstreckung dieses Urteils ehlten nur noch zwei Tage, als sich in dem zur Besitzung des Grafen Achmilin gehörenden Föhrenwalde die schöne Wirtstochter Aranka und Cingalya, das Zigeunermädchen trafen. Aranka saß auf einem Baumstumpf und hielt ihr abgehärmtes Gesicht in Händen vergraben. Sie hatte wohl ihren Ahnung, daß sich in ihrer Nähe keine hübsche Zigeunermädchen befinde; das als sie sich von diesem ansprechen denn fuhr sie mit verstörter Miene in hörte, dieHöhe. „Ach, du bist es, Cingalya!“ sagte sie mit matter Stimme. „Was suchst du hier?“ „Vielleicht dasselbe, was du hier suchst. Ich möchte den Grafen Achmilin sprechen.“ „Auch ich kam in der Absicht her, den Grafen aufzusuchen,“ bemerkte Aranka. „Und du wünschest von ihm?“ „Das Leben des Ferencz Nyulassy will ich von ihm verlangen,“ rief Aranka aus, indem große Tränen in ihre Augen traten. „So? Dann ist dir Ferencz Nyu¬ lassy wohl lieb und wert?“ forschte das Zigeunermädchen. „Mehr als du glaubst.“ 37 „Du liebst ihn?“ „Wie nichts in der Welt. Cingalya, glaube mir, ich werde sterben, wenn er sterben muß.“ Cingalya nickte befriedigt mit ihrem Haupte. „Ich weiß, ich weiß,“ sprach ie wie zu sich selbst, „und das hat mir wohl getan.“ Eine Weile schaute sie ins Leere, dann rief sie plötzlich wieder aus: „Aranka! Ich sage, daß Ferencz Nyu¬ lassy nicht hingerichtet wird!“ „Geh' doch! Treibe nicht Spott mit meinem Schmerze. Könntest du etwa das Wunder bewirken, daß er nicht den 9¼ Tod erleiden muß: „Ja, das kann ich!“ rief Cingalya funkelnden Blickes aus. „Du, Aranka, warst immer gut gegen die arme Cin¬ galya, hast mir auch keinen Grund zur Eifersucht gegeben, nun sollst du sehen, daß das Zigeunerkind auch dankbar sein kann. Ich schwöre dir, dein Ferencz soll gerettet werden.“ So schnell sie nur laufen konnte, lief sie in das Lager der Ihrigen, das sie nach Ablauf von etwa zwei Stunden erreicht hatte. „Auf!“ tief sie den Männern zu. „Es gibt Arbeit! Ferencz Nyulassy soll hingerichtet werden und das darf nicht geschehen. Er ist unschuldig. Graf Ach¬ milin hat den Geza Achvala erschossen.“ Verwundert blickten sich die Männer gegenseitig an. „Kannst du das auch beweisen? „Ja. 27 „Aber wie — „Fragt nicht jetzt darnach, jetzt ist keine Zeit, um euch Antwort zu stehen. Tut was ich euch heiße. Etwa hundert Mann sollen sofort aufbrechen, das Schloß des Grafen Achmilin umzingeln und diesen gefangen halten, bis ich komme. Hütet euch, den Grafen ent¬ fliehen zu lassen! Ferner treibt so viel Leute auf, als ihr könnt und kommt übermorgen auf den Hinrichtungsplatz. Bleibt mein Bemühen umsonst, so muß Ferencz Nyulassy mit Gewalt gerettet werden. Wollt ihr so tun, wie ich euch heiße?“

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