Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1924

12 den Weise der Masken an. Er blieb stehen und antwortete in dem scherzen¬ den Tone, in dem sie gesprochen: — die Aufregung und der Gedanke, daß sie mit keinem Fremden, sondern mit ihrem Gatten spreche, gab ihr den Mut, zuvor¬ kommend und liebenswürdig zu sein. Thorn sah nicht das schmerzliche Zucken ihrer Lippen, als er auch jetzt in der¬ selben Weise ihr antwortete, statt sich empört von ihr zu wenden, wie sie ge¬ hofft. Die Aufregung verlieh ihr die Kraft, ihre Rolle bis zu Ende zu führen. Tränen drohten wohl ihren Blick zu verschleiern, als seine Augen mit zärt¬ lichen, fast leidenschaftlichen Blicken sie anschauten — ach mit Blicken, die er nur auf seine Gattin hätte richten sollen und die er jetzt, wie sie dachte, an eine leichtfertige Maske verschwendete. Er legte ihren Arm in den seinen — und Lydia errötete bei dem glühenden Kuß, den er auf ihre Hand drückte; ihre Sinne drohten sich zu verwirren und fast war es ihr, als sei sie wirklich die Elende, für die Bruno sie hielt, und sie wollte vor Beschämung vergehen. „Willst du mich nicht zum Souper be¬ gleiten, schöne Maske:“, bat er schmei¬ chelnd. „Ich kann nicht länger bleiben,“ tammelte sie und zog rasch ihren Arm aus dem seinen— sie haßte in diesem Augenblick ihren Gatten. „Und sollen wir uns so bald trennen, o mußt du mir sagen, wo wir uns wieder treffen können.“ „Ich weiß nicht wann und ob dies emals möglich sein wird.“ „Holde Maske, tue nicht so spröde nenne den Tag, den Ort und die Stunde, wo ich dich allein sprechen kann und die Schönheit bewundern darf, die du, ich ahne es, unter diesem Domino birgst.“ „Am 4. März im Prater bei dem letzten Kaffeehause, um 10 Uhr mor¬ gens,“ sagte sie rasch. „Am 4. März, wiederholte er be¬ troffen und zaudernd, setzte aber dann schnell hinzu—„nun gut, ich werde nicht fehlen zu erscheinen.“ Er hatte kaum diese Worte gesagt, als ie ihm auch schon entschlüpfte undmit so flüchtigen Schritten davoneilte, daß er sie nicht mehr einholen konnte und ihr nur mehr ein Wiedersehen nachzu¬ rufen vermochte. Lydia eilte wie von Dämonen ver¬ olgt die Treppe hinab und bestieg den Wagen, der für sie bereit stand. Bitterlich weinend sank sie in die Kissen zurück, sie war verraten und be¬ trogen, wie sie es nie für möglich ge¬ halten hätte. Das war kein harmloser Maskenscherz gewesen, seine Blicke, ein dringendes Verlangen von ihr ein Wiedersehen zu erhalten, sprachennur zu beredt für seine Schuld. Sie.hatte ihren Hochzeitstag genannt und selbst dieser Tag war ihm nicht heilig; nur einen Augenblick hatte er gezaudert, aber dann war er schnell bereit, die Be¬ tellung anzunehmen. Bruno kam erst einige Stunden nach ihr nach Hause, und als am anderen Morgen die Gatten bei dem Frühstück beisammensaßen, waren beide schweig¬ am. Lydia sah bleich und angegriffen aus; ihre Hand zitterte, als sie Bruno die Tasse reichte. „Wie hast du dich gestern amüsiert?“ bemühte sie sich unbefangenen Tones zu fragen, obwohl die Worte nicht über ihre Lippen kommen wollten. „Ganz gut,“ versetzte er zerstreut. „Waren schöne Masken da, witzige, liebenswürdige Masken?“ fragte sie und wollte dabei lächeln. „Sehr hübsche Masken. Offenbar wollte Bruno nicht viel über den gestrigen Abend gefragt sein, denn seine Antworten waren kurz und abgebrochen. So war er doch noch nicht falsch genug, um mit unbefangener Miene da¬ von sprechen zu können, dachte Lydia. „Du siehst blaß und leidend aus, sagte er nach einer Pause teilnahms¬ voll, den Blick auf sie heftend, —„bist 7 du krank? „O nein, vollkommen wohl, ich hatte nur einen bösen Traum heute Nacht.“

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