Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1923

82 gewesen? Notwendig war es ja überhaupt gar nicht, sondern ein steter Leichtsinn, ein täglicher Uebermut war es und erst nach nach kam ich endlich zur Besinnung. und Mit vierzig Jahren soll einem bekannt¬ erst der „Knopf“ aufgehen. Bei mir lich geschah dies erst mit sechzig aber da gründlich. Aus einem Saulus wurde zwar am, aber endlich doch ein Paulus ... lang Während des Weltkrieges trank ich immer weniger und weniger und seit 1. Jänner dieses Jahres trinke ich keinen Tropfen Alkohol mehr. Dabei habe ich eine Entdeckung gemacht: wenn man nichts Alkoholisches mehr trinkt, dauert es ein halbes Jahr bis man spürt daß man vollständig alkoholfrei ist, aber dann trinkt man nichts mehr. Man ist rein und will rein bleiben. Man fühlt sich so königlich wohl und erhaben, daß man ju¬ chezen möchte Ich habe keinen Eid zur Abstinenz geleistet, gehöre keinem diesbezüglichen Verein an und feiere meinen Sieg über mich selbst in der denkbar erfreulichsten Weise ununter¬ brochen! Es ist eine große Lüge, wenn man behauptet, der Wein sei die Milch der Alten Wenn ich auch ein junger alter Mann bin nach Goethe das Höchste, was ein Mann — so bin ich mit 62 Jahren erreichen kann doch kein junger Bursche mehr, aber ich fühle mich so leicht, so elastisch und frisch daß ich es mir besser nicht wünschen könnte. Lebenslänglich habe ich mich stets wohl gefühlt, aber seit ich alkoholfrei bin, hat dieses Wohlbefinden den denkbar höchsten Grad erreicht. Ich fühle mich wirklich noch ∆.7 □ R jünger als vordem; bin stets lustig, schwung¬ Hinsicht. haft und leistungsfähig in jeder Zum Humor gehört kein Alkohol! Essen muß ich, aber Alkohol trinken muß ich nicht, will ich nicht mehr und werde ich nie mehr. Unser herrliches Hochquellen¬ wasser ist das edelste Getränk! Geschäftes Schaufenster meines Im aufgestellt. ein kleines Postament habe ich Glaswürfel liegt ein geschliffener Darauf dem Text: hängt ein Zettel mit und daran Ohne Alkohol Fühl' ich mich stets wohl, So g’sund so klar, so rein Wie dieses Glaswürfelein. Wie schön wär's auf der Welt, Wären alle so gut g'stellt Und so glücklich wie ich! — Aber (Gedankenstrich')... Die Gedankenstriche sagen alles! Sagen o viel, als er wissen will und geben jedem der noch zu retten ist, Gelegenheit edem, dazu. Freilich ist es nicht leicht, sechs Monate lang die Selbstbeherrschung zu haben, des Alkohols sich zu enthalten. Wer aber den Mannesmut dazu hat und es vollbringt, wird gewiß dann gerne mithelfen, die Welt von den Alkoholgift zu befreien. Denn, wenn man seinen Mitmenschen liebt, wie sich selbst, dann ist es eine heilige Pflicht, die Alkohol¬ kranken zu retten. Diese Zeilen sollen meine werktätige Neue bilden für mein lasterhaftes Vorleben und ich werde mich glücklich schätzen, wenn ie vorbildlich wirken. Nikolaus Jekel. 4

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