Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1923

112 anvertraut ward, die speziell in diesem Fach ausgebildet worden war. Hiernach kamen die Schulen, aus denen Fachmänner im Inseratenwesen hervorgingen. Das alles haben wir ja jetzt mehr oder weniger auch bei uns, freilich nicht in diesem Maße und vor allem verdienen unsere Reklamechefs noch lange nicht die fürstlichen Gehälter welche manche der amerikanischen Reklame chefs erhalten. Es gibt darunter solche, die einen Jahresgehalt von 30.000 Dollars beziehen. Dieser Geschäftszweig bietet dort immer neue Aussichten und ist ohne Zweifel mit einer der aussichtsvollsten im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten. Nun einige praktische Beispiele über die Art der ameri¬ kanischen Reklame. Als ich eines Morgen¬ aus meinem Redaktionsbüro in der N. 2) Staatszeitung an meiner Wohnung in der 77. Straße ankam, lag neben der vor der Tür stehenden Kanne des Milchmannes ein gedruckter Zettel, auf welchem stand: „Nicht zu Hause! Aha! Warum sehen Sie sich nicht das Stück an, weshalb Smith nicht zu Hause blieb?“ Natürlich lachte ich und sah mir wirklich in der nächsten Woche dieses damals moderne Theaterstück an. Andere Theaterdirektoren haben noch vie teurere Reklame gemacht. So gab seinerzeit der Direktor eines Theaters in Washington derjenigen Person, die am Ende der Spiel zeit die größte Anzahl von Eintrittskarten gesammelt haben würde, freie Reise nach England und zwei Wochen Aufenthalt dort Auch die Reklame auf allen Fahrkarten ist zuerst von Amerika ausgegangen, ebenso wie Geschenke zu Weihnachten und Neujahr, die anfangs in Kalendern, Notizbüchern und dergleichen Kleinigkeiten bestanden später aber sich zu ganz wertvollen Gegen¬ ständen auswuchsen. Ich erhielt sogar einmal eine gutgehende vergoldete Uhr und die Brauereien verteilen alljährlich zu Weih¬ nachten je nach ihrer Größe 1000 bis 3000 Hüte an ihre Kunden. Dies geschieht, indem sie ihren Kunden gedruckte Zettel 188 zustellen, die eine Anweisung auf einen Hut enthalten, der bei einem bekannten Hutmacher gegen Vorzeigung dieser An¬ weisung entnommen werden kann. Es handelt sich hierbei keineswegs um billige Hüte, ondern um solche, die im Laden zu 3 Dollars das Stück verkauft werden. Es ist also ein bedeutendes Kapital, das die Brauereien auf diese Weise für Reklame ausgeben An Lichtreklame wird natürlich drüben noch vielmehr geleistest, als früher bei uns und überall leuchten des Nachts alle mög¬ lichen leuchtenden Inschriften hoch über dem Häusermeer auf. Eine sehr hübsche Reklame dieser Art macht z. B. eine Eisenbahngesell¬ chaft für einen ihrer Ueberlandzüge. Man sieht plötzlich hoch oben rotgrüne Signal laternen aufflammen, dann erscheint ein ahrender Eisenbahnzug. Eine recht ange¬ nehme Reklame erhielt ich eines Tages ins Haus gesandt. Es war ein Brief, der etwa wie folgt lautete: „Sehr geehrter Herr! In der Annahme, daß Ihr Einkommen 15.000 Dollars im Jahre beträgt (eine Annahme, die mich ein klein wenig über¬ schätzte!), daß Sie aber das Sprichwort beherzigen, das Zeit Geld ist, fügen wir hier einen Scheck über 4 Cents bei, um Sie für die zwei Minuten zu entschädigen die Sie von Ihrer Zeit opfern werden, um unsere kurze Erzählung zu lesen von dem usw.“ Manchmal schafft die Reklame auch Nützliches oder Wertvolles. Es geschah seinerzeit auch nur aus Re¬ klame, daß der Millionen schwere Zeitungs¬ besitzer Gordon Bennett den Reporter Stanlet nach Afrika sandte, um Livingstone zu finden, wodurch aus dem Zeitungsbericht¬ erstatter ein berühmter Afrikaforscher wurde Die amerikanische Reklame hat also auch ihre guten Seiten, und es wäre zu wünschen, daß eher diese auf deutsche Ver¬ hältnisse übertragen würden, als das weniger Angenehme, das ihr sonst anhaftet und uns wie manches andere im amerikanischen Wesen so oft abstößt.

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