Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

84 gewidmet hatte, das Museum wieder er¬ öffnet werden. Jahre vergingen, alljährlich waren Ausstellungsgegenstände einzureihen, vor¬ her zu reinigen, die Lokale rein zu halten und alle die Arbeiten zu verrichten, die notwendig sind, um eine Ausstellung von Gegenständen zu erhalten. In diesen Jahren war es Frau Marianne Kautsch, die nun nicht nur allein alle diese Sachen besorgte, sondern auch die Inventarisierung und Numerierung des Bestandes der Aus¬ stellungsgegenstände durchführte, wofür ihr auch alljährlich von Seite der Gemeinde der Dank ausgesprochen wurde. Wieder waren Jahre vergangen, als das Museum neuerdings vor einem Lokal¬ wechsel stand. Die Gemeinde bewilligte dem neu entstandenen Mädchenlyzeum Räumlichkeiten in der Industriehalle, wo¬ durch aber der Zugang zum Museum erschwert wurde, welcher Zustand für die Länge der Zeit nicht haltbar war. Da wurde die Anregung gegeben, das Museum in das von der Gemeinde erworbene Gebäude des „Innerberger=Stadels“ eines alten, von der Gemeinde im Jahre 1612 erbauten, interressanten Kornspeichers zu verlegen. Die Räume dieser Baulichkeit paßten vorzüglich zu dem angestrebten Zwecke und allgemein sind die Besucher des Museums über das Lokal entzückt. Ende März 1913 mit dem Umzuge begonnen konnte am 25. Juli 1913 das neue Museum am Grünmarkte von Bürgermeister Julius Gschaider in Gegenwart des gesamten Gemeinderates eröffnet werden. In der Eröffnungsrede teilte derselbe mit, der Gemeinderat habe einstimmig beschlossen, dem Kustos des Museums, Jakob Kautsch, das Ehrenbürgerrecht der Stadt Steyr ob der Verdienste zum Wohle der Gemeinde in verflossener Zeit und besonders durch die gelungene Durchführung der Verlegung des Museums zu verleihen, der Frau Marianne Kautsch aber wurde der besondere Dank für ihre so tatkräftige Unterstützung und die dem Museum gewidmete Sorgfalt eit dem Entstehen desselben in beredten Worten zum Ausdrucke gebracht und der Wunsch daran geknüpft, auch in der Folge die Interessen des Museums fördern zu wollen. Frau Marianne Kautsch versprach, mit dem Danke für die anerkennenden Worte, wie bisher dem Museum dienen zu wollen, was sie auch bis zu ihrem am 16. Oktober 1919 erfolgten Hinscheiden, getreulich hielt. Die Einrichtung des Museums kostete viel Mühe, da die Dimensionen der Räumlichkeiten ausgenützt werden mußten, um die verschiedenen Gegenstände, je nach ihrer Größe unterzubringen. Jedoch gelang auch dies und dem allgemeinen Urteile nach in glücklicher Weise. Fachleute von anerkanntem Rufe sind über das Gebäude sowohl von Außen, als von den inneren Räumen und der Einteilung entzückt. Es wäre nur zu wünschen, dem Museum endlich eine Unterkunft von Bestand verschafft zu haben, was nicht zu bezweifeln ist, wei einerseits das Gebäude für Museumszwecke trefflich paßt, andererseits man aber ein anderes Museumsgebäude schwer beschaffen oder ausfindig machen könnte. Das Museum hat, als eine Institu¬ tion, die, wenn sie nicht bestände, im Interesse der historischen Vergangenheit der Stadt geschaffen werden müßte, die vollste Berechtigung als Ergänzung des Archives unserer Stadt, eines Archives das für die Stadt die interessantesten Urkunden des Mittelalters enthält, zu bestehen und verdient vollste Beachtung und kräftigste Unterstützung. Geschichte kommt von Geschehen und Geschehenes, läßt sich nicht auslöschen. Was da in den Urkunden und Dokumenten des Archives der Stadt niedergelegt ist, was da in den Schaukästen und Bildern des Museums ausgestellt ist, das alles war gewesen und wenn man Geschichte nicht nur vom Standpunkte des Stamm¬ baumes der Staatsoberhäupter oder der kriegerischen Ereignisse studiert und ansieht, sondern als noch wichtigeren Einfluß auf dieselben, die Darstellung des kulturellen Zustandes ins Auge faßt, der wird, ob weil wir Bürger oder Sozialdemokrat — schon diesen Unterschied in unserem Erden¬ leben machen — auch von der Bedeutung der erwähnten Einrichtungen überzeugt sein. Lernen wir im Museum Kulturgeschichte praktisch. Unsere Vorfahren verdienen diese Erinnerung an sie und ihre Zeit.

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