Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

78 Stimme macht. Zuletzt drückt er ihm die Hand. Kräftig und lange. Hellklingen aus der Ferne die Hammer¬ schläge, bald wird das Hindernis über¬ wunden sein, man wird weiterfahren können. Jetzt umwogt die Schar der Rei¬ senden den abtretenden Ehlers, der stumm und fast unwirsch übersprudelnde Dankes¬ bezeugungen über sich ergehen läßt. Man will seinen Namen wissen, ihm etwas Besonderes sagen, aber er schiebt sich mit breiten Schultern schweigsam durch die Menge. Jetzt fällt das Wort „Sammlung“. Irgend jemand hat seine Mütze genommen, und schon gießt sich eine Flut von Gold¬ und Silberstücken in die Arbeitshände. Sie versenken sich in die Rocktaschen. Ehler brummt einen Dank und stapft nach vorne der Lokomotive zu, wo Heizer und Führer ihm eifrig zuwinken. Vier schwa ze Hände strecken sich ihm entgegen undpressen die seinen gewaltsam. „Hab' Dank, Kamerad und vergelts Gott! „Schon gut, schon gut!“ meint Ehlers „und glückliche Fahrt!“ Da kreischen die hohen Triebräder der Dampf pfaucht zischend und stoßweise, der Zug setzt sich langsam in Bewegung Aus allen Fenstern aber ruft und winkt man dem einsam zurückbleibenden Manne nach. Doch der hat sich längst abgewandt und geht schwerfälligen Schrittes dem nahen Diensthause zu. Ein unerklärliches Etwas schnürt ihm die Kehle zu, in seinem dumpfen engen Schädel wühlt und wogt es. Kopfschüttelnd stößt er die niedrige Türe auf. Da, im Scheine der qual¬ menden Petroleumlampe sitzt Käthe Und es ist doch längst Mitternacht vorüber! „Was willst du hier?“ herrscht er sie an. Ihr Gesicht flammt glühend rot, sie wagt nicht aufzuschauen. „Wir hörten drüben das schrille Pfeifen und da bin ich eilends hergerannt, zu sehen, was es gibt!“ Heinz Ehlers schaut sie von untenher in seinen Augen zuckt es unheimlich. an, „Nachdem du dich vorher stunden¬ zwischen den Schienen herumgetrieben lang hast! 11 — Und wenn ichs hätt'!“ Käthe wirft den Kopf zurück, ihr Blick wird groß und starr, ein wilder Trotz überkommt das starke Weib. „Mensch!!“ brüllte er und seine Fäuste ballen sich, er tritt ganz nahe vor ie hin. Eine sinnlose Wut überkommt ihn. „Dem Gendarmen übergeb ich dich, ins —“ — du Zuchthaus bring ich dich, du „Für wen tat ichs denn? Für dich, für dein Kind hab ichs getan!“ schreit sie heraus. „Nun geh und zeig mich an! Heinz Ehlers sinkt nieder auf die Bank, er kann nicht mehr, die Aufregung der letzten Stunden war zu groß. Sie nähert sich ihm „Heinz, sagte sie fast bittend, „ich wußte ja, daß nichts passieren konnt, daß du es sehen mußtest und ich konnt nicht anders, glaubs mir, ich konnt nicht, es geht schon in den siebenten Monat, du mußt angestellt werden und wir müssen heiraten! Ein gequälter, kranker Blick trifft sie, die maßlose Wut ist ganz verflogen. Was hilfts auch! Tief wühlen die Hände in den Taschen. „Da, nimm!“ Und er wirft das Geld auf den Tisch, noch eine Handvoll und noch eine. Klingend rollen einige Stücke bis in Ecken. die Was soll mir das Geld? Dich will dich! ich, Einen Vater soll mein Kind !“ haben Da rafft er sich auf: „Gehl „Nimm und geh“, wiederholt er tonlos. Sie bleibt wie angewurzelt stehen, in ihren Augen flackert es angstvoll „Geh' geh’, ich sage dir geh'!“ Er schiebt ihr das Geld zu, es fällt in breiten Massen auf den Boden, niemand rührt sich darnach

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