Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

ruhig und nahm vom Ladentisch ein Geldstück auf, „ich sagte nur, dies Geld¬ stück ist falsch, dies nehm ich nicht und da schreit die Frau gleich entsetzlich, heißt mich eine dumme Gans und dergleichen mehr, schlägt mit der Faust auf die Budel, daß alles aufhüpft und fürchte, so ihr nicht eben hereinkommt, fährt sie mir ins Gesicht und kratzt mir die Augen — seht doch selber das Geldstück an, aus ob das nicht falsch ist“. Und die kleine, feine Hand des Mädchens reichte dem jungen Ratsherrn den Wiener=Gulden hin. Der nahm ihn, nicht ohne die zierliche Hand des Mädchens, das er nicht kannte, gebührend zu be¬ wundern und ihr dies mit einem raschen Blick zu sagen, sah das Geldstück von allen Seiten prüfend an und dasselbe Weibe hinhaltend sagte er: dem „Es ist richtig wie die Jungfer sagt, das Stück ist falsch, es ist überhaupt Silber, sondern schlecht aus Blei kein gegossen und mit Quecksilber glänzend gemacht, da seht her“ Und er kratzte mit dem Fingernagel ein wenig von dem Silberauftrag weg. Weib verfärbte sich ein wenig. Das „Ich bin keine Fälscherin“ sagte sie heftig, „hab das Stück auch eingenommen rüh im Geschäft und wenn ich es heut genommen, wirds wohl die Jungfer hab nehmen dürfen“ auch Darüber wollen wir uns nicht weiter streiten“, erwiderte Herr Wendelin nach drücklich fest, „ihr gebt entweder ein anderes, echtes Geldstück her, oder — oder“? Fragte das Weib „Na streitlustig und stemmte die kräftigen Arme in die breiten Hüften, „ich bin die Magd, die Eusebia vom Bogenschießstand des Herrn Emmerich, wer von mir was will, möge dorthin kommen, da behaltet eure Leinen, Jungfer und das falsche Geld dazu, ich schenk es euch als Heiratsgut, ha, ha“ Und sie warf das Päckchen mit der Leinwand auf den Ladentisch und wollte auf die Gasse eilen. Herr Wendelin aber ergriff sie rasch am Arm und zog sie mit einem derben, eisenfesten Ruck zurück. 71 „So, so, also ihr seit die Eusebia vom Herrn Emmerich“ sagte er höhnisch und musterte sie mit großer Aufmerksamkeit „gut, daß ich euch kennen lerne, hab von euch schon gehört, aber nichts Gutes. Will nicht untersuchen, wie ihr zu dem falschen Gelde kamt, aber zahlt rasch was ihr ge¬ kauft und dann macht Luft da — wollt ihr das nicht, draußen steht ein Schutz¬ mann, mit dem könnt ihr sogleich zur Schranne!) wandern“. Die Eusebia warf dem jungen Rats¬ herrn einen Blick zu, der getötet hätte, wäre er ein Messer gewesen. „Gewalt geht vor Recht“ sagte sie mit großer, die Jungfer zu vernichten be¬ stimmten Hoheit, griff in die Tasche und warf dann ein Silberstück auf den Laden¬ tisch, „was zuviel ist, gebt einem Armen — Satansbrut, Ihr“ Und draußen war sie und die Tür iel krachend ins Schloß und die Klingel läutete dazu Sturm. Die Jungfer stand höchst verlegen da und ihr schönes feines Gesichtchen zeigte hohe Röte, sie schämte sich des rüden Auftrittes und das kraft¬ volle Eingreifen des jungen Mannes schien sie ebenso zu erfreuen, wie in Verlegenheit gesetzt zu haben. „Ich dank euch Herr“, stotterte sie mehr als sie es sagte, heraus, „Ihr habt mich förmlich erlöst von dem bösen Weibe und sie reichte ihm zum Danke das Händchen hin, das er hastiger ergriff, als es sich wol schickte und dasselbe fest drückend, meinte er: „Ja, das ist ein gar böses Weib, da habt ihr ganz recht, aber ich sah euch nie bei der Holzerin hier im Laden und kann mich nicht entsinnen, euch überhaupt in unserer wackeren Stadt Steyr je ge¬ sehen zu haben“ „Ich bin der Holznerin Schwester¬ tochter aus Sierning“ sagte das Mädchen errötend aufs neue ob der bewundernden Blicke, die der junge Ratsherr, wenn sodoch auch in aller Bescheidenheit, auf ihr ruhen ließ, „mein Vater, der 1) Der viereckige, durch Schranken abgeschlossene, sonst offene Raum vor dem Rathause, wo Gericht gehalten wurde.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2