Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1920

69 E 2.5 S J8S SSSOSSSSS Seltsame Ehestifter. Zeitbild aus Stadt Steyrs Vorzeit von Heinrich Kematmüller. mit sich selber bedauerndem, himmelwärts 8 m Mai des Jahres 1056 ging es in gerichtetem Blick: SS der Burg zu Steyr recht lebhaft zu. „Hat nur grad noch gefehlt, daß der Gäste kamen und gingen und die eben Herr Graf ist Markgraf geworden, erfolgte bedeutende Vermehrung des Gesin¬ dreht sich jetzt ganze Kuchel um.!“ des, so in der Burg seßhaft war und hier Ja, es drehte sich alles um: die die Dienste aller Art versah, trug eben¬ Küche, der schon etwas Ruhe liebende falls viel dazu bei, frisches, kräftiges Leben Zwentibold, seine auch schon sehr behäbig in die Burg zu bringen. Der Herr und sich anlassende Frau Ulrike, die eine Deutsche Gebieter in Steyr, Ottokar V. Graf in aus der Gegend der Burg Steyr war, Traungau,!) war von Kaiser Heinrich III.*) und das Gesinde „drehte“ sich nach dem zum Markgrafen der oberen (steirischen) scharfen Befehle des Zwentibold, der seine Mark, die von der Raab und Mur bis wendische Abstammung weder in Wort an die Donau und über die Enns hinauf noch Tat verleugnen konnte, obwohl gut reichte, ernannt worden und war kürzlich ein halbes Jahrhundert über seinen fast von der neuerlichen Belehnung und Hul¬ kahlen Schädel dahin gerauscht war. Seine digung beim Kaiser heimgekommen. Da Heimat war da drüben über der Donau, gab es nun Glückwünsche, Treuegelöbnisse an der Aist, im heutigen unteren Mühl¬ und sonst allerlei Anlässe für die Besuche viertel, wo der Wenden gar viel saßen, des Adels und der freien Bürger bei brave Ackerbauern und tapfere Kriegsleute Ottokar V. und alle wurden, nach damaliger im Dieste Ottokar V., welcher dort drüben schöner Sitte, nach vollbrachtem Anliegen Waldland bis an die Grenzen des heutigen am jungen Ottokarensitz?) reichlich bewirtet, Böhmens besaß. 32 was wieder zu lebhaften Tun in der So ein braver Kriegsmann war in Burg Anlaß gab. Da hatten natürlicher¬ seinen jungen Jahren auch Zwentibold weise die Hofbediensteten gehörig zu tun, gewesen, der mit der Burgköchin Ulrike um den Ansprüchen ihres Herrn und dann fürs Leben den ehelichen Bund dessen Gästen vollauf gerecht zu werden geschlossen, sich zum Burgkoch entwickelt und ganz besonders viel gab es in der hatte und dann an Stelle von Ulrickens Burgküche zu tun und der große dicke verstorbenen Vater endlich ein brummiger, Zwentibold, der wackere Oberkoch und aber sonst sehr friedliebender Oberkoch am Küchenvorsteher, wischte sich recht oft die Hofe zu Steyr geworden war. heiße Stirne und seufzte, verstohlen nur Der Stolz des küchenmeisterlichen Ehe¬ oder doch wohl nur in Gegenwart ver¬ paares war ihre jetzt anfangs der zwan¬ trauenswürdiger Küchenleute, halblaut und ziger Jahre befindliche Tochter, die fleißig 1) Regierte vom Jahre 1038 an, gestorben zu Rom 1088. in der Küche half und manche Lieblings¬ Manche Historiker zählen ihn als den III. seines Namens, das ist jedoch nichts als eine Gelehrtenspielerei; als seine speise feinst zubereitet an die Tafel der Würde zu vererben berechtigter Graf ist er der dritte ritterlichen Herren zu bringen wußte, des Namens Ottokar, als Graf in Traungau der fünfte dieses Namens. weshalb sie, da sie auch dem Gesinde 2) Regierte in Deutschland vom Jahre 1039—1056, manch guten Bissen von der Tafel abzu¬ der mächtigsten Träger der deutschen Krone. einer 3) Die Burg in Sterr wurde um 980 bis 985 erbaut zwicken wußte, von allen in der Burg durch Graf Ottokar III., der 991 oder 993 starb.

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