Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

178 Auch Frau und Tochter war dürftig gekleidet, letztere allerdings nett und sauber, denn sie war eine hübsche, dralle Dirne und als Evastochter nicht frei von enen kleinen Eitelkeiten, die jungen Mäd¬ chen angeboren sind, und recht gut zu ihnen passen. Wie ihr Aussehen, war auch Martina, so hieß das Mädchen, in ihrem ganzen Gehaben einfach und schlicht, fleißig und verständig bei allen Arbeiten, keine Freundin vieler Worte, aber einem ehrsamen Spasse nicht abge¬ neigt und wenn es sein mußte, tat¬ kräftig und unnachgiebig wie ihr Vater, mit dem sie nicht auf besten Fuße war, denn sie haßte dessen oft recht weit¬ herzige Machenschaften und verabscheute jede Unredlichkeit, ebenso wie ihre Mut¬ ter Cäcilia, die eine brave, stille Frau und eine gute Hauswirtin war. Martina, gewöhnlich Tina genannt, ordnete eben den Tisch in der Gaststube gar fein und zierlich, was sie recht wohl verstand, denn sie war längere Zeit beim Burggrafen Georg von Volkenstorf in Steyr bedienstet gewesen und hatte dort allerlei besseres aus der Hauswirtschaft gelernt, als der gelbe Tobias eintrat und mit prüfendem Blicke alles übersah und dann, so freundlich er konnte, sagte: „Schön, daß du dir soviele Mühe gibst mit dem Tisch decken, Tina, der edle Herr wird zufrieden sein und die edle Frau deiner Arbeit hohes Lob spenden!“ „Oh, was den edlen Herrn anbe¬ langt, entgegnete Tina etwas schnip¬ pisch und zog die volle Oberlippe hoch, „ist mir das recht gleichgültig, ist ein sehr was die edle Frau roher Mensch — Rosamunde betrifft, will ich's mit Freu¬ den hinnehmen, wenn die mir Lob spendet, für wieviele soll ich decken Vater?“ weiß ich,“ machte es Tobias „Hm — achselzuckend, „lege einstweilen 5 bis 6 Gedecke auf, allein wird er ja nicht kommen, gehe aber noch rasch in den Keller hinunter, der edle Herr liebt die vollen Humpen!“ Er drehte sich um und ging wieder hinaus, Tina nahm vom Brett herab mehrere Zinnkrüge recht großer Gattung und murmelte im herausgehen aus dem Zimmer: „Der edle Herr liebt auch der vollen Humpen mehrere, wie ich ihn kenne, daß Gott erbarm!“ Als sie über den Hof nach rückwärts zum Keller schritt, kam von dorther ein netter großgewachsener, junger Bursch, ein junger Bauer seiner Kleidung nach und winkte ihr von weiten einen Gruß zu, o, ja so etwas demütig, etwas wie verliebt. „Na, dich kann ich aber brauchen,“ agte Tina ihm die Grüße mit den Krügen winkend erwidernd, „schau daß du mir schnell wieder heim kommst nach Garsten, jetzt sind wir alle ganz Losen¬ —! stein „Was sind wir?“ fragte der Bursche ganz erstaunt und rückte seinen großen Schlapphut am Kopfe hin und her, „Losenstein?“ „I. freilich, der Losensteiner hat sich zum Frühstück ansagen lassen und da wirds hoch hergehen — zum Glück kommt seine Frau Gemahlin auch mit, das gibt einen Dämpfer!“ Sie lachte und reichte dem Burschen die Hand: „Gerhardt, schau daß du verschwindest da, der von Losenstein ist nicht euer Freund!“ „Gott soll ihm's lohnen, brummte der Bursche, „ich kenne das — das sauft und sauft, aber ganz' ohne gehe ich nicht, hab heute anhalten wollen um dich, 177 Tina „Leider, leider,“ sagte das Mädchen mit schelmischen Blick und Achselzucken, „geht heute nicht — werden's aber schon noch besorgen — ich bin dir ja sicher.“ Und sie hielt ihm die frischen Lip¬ pen hin, ein herzhafter Kuß und lachend eilte sie in den Keller, während der Bursch mit etwas enttäuschter Miene denselben Weg zurücknahm, von woher er ge¬ kommen war.

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