Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

161 5 G G * 0 S Das Dorfstummerl. Von Dr. Heinrich Penn. Nachdruck verboten. wenn die Schulbuben dem Schulmeister 2eiß Gott, in welchem Winkel deines das große, blaue Schnupftuch aus der 64 Vaterlandes du das Licht der Tasche stibitzten, fluchte er des Abends Welt erblickt hast, du armes Stummerl. Vielleicht in einem besseren, traulicheren im Wirtshause über das Stummerl, das ihm gewiß diesen Schabernack gespielt Häuschen, als jenes ist, welches du jetzt hätte bewohnst, vielleicht auch hoch oben zwi¬ Mit der Zeit aber wurden es die schen Felsen und Tannengrün, unter freiem Himmel. Du konntest es ja Nie¬ Leute müde, dem einsamen Mann am Kleeacker immer nur Böses nachzusagen. manden sagen. Weiß Gott auch, was du „Is halt arm und stumm! Hat auch früher getrieben hast und wie es dir da nir drinnen!“ belehrte Einen der ergangen ist, bevor du in jenem stillen, Stiefelwirt, indem er auf die Stirne einsamen Dörfchen halt machtest, wo ich deutete, wenn man ihm um's Stummerl dich zuerst getroffen. Ein großmütiger Bauer überließ dir die Reste eines fragte, „tut aber Keinem was z'Leid“ Die Jäger hatten es trotzdem scharf auf kleinen, alten Häuschens, dafür mußtest ihn. In Stummerls Adern rollte näm¬ du den nahen Kleeacker bestellen. Der G. Alte wäre damals vielleicht nicht so lich heißes, unbezähmbares Jagerblut, in¬ freigebig gewesen, wenn er Lust gehabt deß hatte er keinen Heller, konnte sich keine Flinte, nicht Schrot noch Pulver hätte, das Häuschen wieder neu auf¬ kaufen, aber es zog ihn mit allen Fasern zubauen, aber die Nachbarsleute hatten seines Herzens in's Waldrevier, durch rings umher ihren Senf stehen, und der Bauer hätte sein neues Heim nicht be¬ die schön gepflegten „Fächer“, über wohnen mögen, des scharfen Geruches „Schneisen“ und „Schläge“ hinauf zu den Hochständen. wegen, welcher von den gelben Feldern Schlingenlegen? Nein, das tat Stum¬ allseits zuströmte. Aber das Stummer vertrug ihn in seiner Ruine ganz vorzüg¬ merl nicht. Er war kein Schinder, son¬ dern ein echter und rechter Jägersmann lich. Freilich wohl, alle Leute im Dorfe und hatte die schönste und beste Flinte konnte der arme, stumme Mensch nicht zu der Welt — seinen Haselstecken! einen Wohltätern zählen. Besonders in den ersten Jahren seines Aufenthaltes „s'Stummerl is narrisch!“ lachten die in jener Gegend war er nun der Sün¬ Bauern, aber, weiß Gott, mir griff es tief ins Herz, wenn ich ihn im Walde denbock für alt und jung. Wenn einer ehrsamen Bauersfrau ein begegnete, den Stecken in den grauen Huhn abging, meinte sie, die Federn abgezehrten Händen, mit dummfrohem wären sicherlich beim Stummerl zu fin¬ Lächeln, als wollte er sagen: „Siehst den, wenn ein Heuschober brannte, zi¬ du, das Alles gehört mir, Bäume und schelte man sich in die Ohren, das Wild. So ist's mir bestimmt und ich bin der Herr!“ Stummerl hätte das Feuer gelegt und 11

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