Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

der Sparkassa noch drei Bankinstitute be¬ stehen werden, aber ob selbe für die Dauer auch können? Im Jänner wurden am 2. und 3. die Dachstühle auf den soeben erbauten Seitentrakten des Direktionsge¬ bäudes am Bahnhofe aufgesetzt und am 20. bis zum Liedertafelballe am 28. wurde in der Werndlschen Restaura¬ tion in Reichenschwall neben dem großen Tanzsaale im Freien ein großer gemauerter Speisesaal angebaut, der schon beim Nobelballe dicht mit Gästen gefüllt war. Aber dieser wahre Frühlings=Jänner war der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich. Blattern und Cholera überall in Europa und auch in Steyr traten im Jänner die Blattern viel mehr, ja epidemisch auf und ist im Jänner die große Zahl von 50 Personen, darunter viele an Blattern, gestorben. Endlich wurde im Februar für den im Vorjahre gemeinderätlich beschlossenen Bau eines großen Knaben Volks¬ und Bürgerschulgebäudes der Eckplatz auf dem Hallerfelde nächst der Promenade bestimmt und dazu 150200 um 9016 fl. erkauft, zu welchem Behufe aber auch das an dieser Straßenecke vorspringende Kammerhofersche Haus Nr. 162 samt Stadel zur Demolierung um 10.000 fl. erkauft werden mußte. Die Baukosten des Schulhauses sind auf 180.000 fl. veranschlagt. Um diese großen finanziellen Schmerzen zu lindern, wurde ein vom Kaiser sanktioniertes Landesgesetz erwirkt, welches die Stadt¬ kommune ermächtigt, ein Darlehen von 20.000 fl. aufzunehmen. Am 2. Februar wurde der Eis¬ laufplatz auf dem Werndlteiche vom Eislaufvereine eröffnet. Am 11. Februar war der neue Statthalter von Oberösterreich Baron von Wiedenfels zum erstenmale in Steyr. Nachdem von dem im vorigen Jahre ganz neugewählten Gemeinderate heuer ein Drittel ausgelost worden war, fanden 149 nun am 17., 19. und 21. März Neu¬ wahlen statt, wobei sich aber die Mit¬ glieder des kath. pol. Kasinos, als ohne¬ hin aussichtslos, nicht beteiligten. Uebrigens gehen die klerikalen und liberalen Hetzungen, besonders in den Zeitungen, fort und hat das bischöfliche „Linzer Volksblatt“ sogar die Resig¬ nation des Bürgerkorps=Majors Ludwig Werndl veranlaßt, und der hiesige, noch aus dem Preßprozesse in den Sechziger¬ jahren berüchtigte, damals ultraradikale jetzt aber klerikale Advokat Dr. Pierer reißt darin auch unsere Rudolfsbahn und den Generaldirektor G. Aichinger in frechster Weise herunter. Am 9. März abends 10 Uhr wurde ein mit seinen zwei Söhnen aus dem Gasthause nach Aichet heimkehrender Waffenfabriksarbeiter ohne alle Veran¬ lassung von zwei solchen Arbeitern und einer Dirne angefallen, arg mißhan¬ delt und erstochen. Der eigentliche Täter G. Rohrer hat sich aber am nächsten Abende in der kreisgerichtlichen Frohnfeste erhängt. Am 4. April trat nach 14 tägiger Trockenheit ein 4 tägiger starker Regen ein, welcher den Wintersaaten sehr zu¬ statten kam, sie stehen prächtig. Dieser Stand ist aber auch dringend notwendig, weil die Teuerung von Woche zu Woche steigt und die Getreidepreise bereits eine solche Höhe erreicht haben (Weizen 7 fl. 54 kr., Roggen 5 fl. 2 kr.) daß ägyptischer, syrischer und russischer Weizen unsere großen Kunstmühlen im Lande versorgen muß. 1 Pfund Rind¬ fleisch bereits 30 kr. Am 5. Mai begann die mini¬ sterielle, technisch=militärische Begehung der Eisenbahnlinie Steyr—Attnang, um deren Konzes¬ sionierung die Herren I. Werndl, Doktor Reinhart und Ingenieur Diem im Inter¬ esse der Rudolfsbahn angesucht hatten. Seit Menschengedenken war dies der schlechteste Mai, denn es gab in demselben nur 8 regenfreie Tage, wovon aber nur drei wirklich schöne Frühlings¬

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