Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

148 der Bevölkerung, selbst unter den benach¬ barten Bauern und in weiter Ferne so zugenommen, daß in die 1. Klasse der Unterrealschule 70 Schüler eintraten, daher sogar eine Parallelklasse errichtet werden mußte und die ganze Schule von früher 94 auf jetzt 149 Schüler anwuchs. Der schon am 10. Oktober begonnene Jahrmarkt war bei durchaus schöner Witterung wieder viel belebter als der Frühlingsmarkt gewesen, besonders war der Promenade=Wüstenplatz mit Ständen und vielen Kunst= und Spektakelstücken förmlich angestopft. Das Silberagio ist bereits auf 5·75% herabgegangen und auch die Staats¬ papiere stehen gut Da das Exjesuitengebäude für die vollständige Knaben= und Bürgerschule mit 8 Klassen und 4 Parallelklassen, dann die vollständige Realschule mit 7 Klassen und da dazu in nächster Zeit auch noch ein Obergymnasium angestrebt wird, nicht mehr ausreicht, so wurde vom Gemeinde¬ rate anfangs November der Bau eines neuen großen Volks= und Bürgerschul¬ hauses auf dem Hallerfelde nächst der Promenade beschlossen und dann beim Landtage um ein unverzinsliches Dar¬ lehen angesucht. Da aber, wenn die Bau¬ linie der neuen Promenadehäuser ein¬ gehalten werden soll, die zwei vor¬ stehenden alten Häuser Nr. 162 und 345 jedenfalls eingelöst und abgebrochen werden müssen, so gab es diesfalls im Gemeinderate ein arges Zerwürfnis. In der Nacht vom 2. bis 3. Dezember war ein fürchterlicher Sirocco=Orkan, der alle Berge schneefrei machte und in den Lambergschen Wäldern tausende von Bäumen zersplitterte, und in Steier¬ mark und Kärnten sehr große Ueber¬ schwemmungen verursachte, sowie im Meere unzählige Schiffbrüche. Am 4. Dezember war im Rathaus¬ saale von Vertretern der Wiener Allge¬ meinen Depositenbank und vielen hiesigen Bürgern als Teilnehmer die Konsti¬ tuierung eines eigenen Kreditver¬ eines und der Filiale dieser Bank. In diesem Jahre war auch die erste Umlagenzahlung von der Ein¬ kommensteuer der Waffenfabrik infolge des von unserem Reichsratsabge¬ ordneten Fr. Wickhoff erwirkten Reichs¬ gesetzes. Sie betrug pro 1872 10.172 fl. 1373. Die allgemeinen Staatsver¬ hältnisse stehen unter einem volks¬ tümlichen, verfassungstreuen Ministerium (Fürst Adolf Auersperg) ganz gut, das chronische Defizit ist endlich verschwunden und das Silberagio auf 7% herab gesunken. Auch in unserer Stadt ist, ob¬ wohl die Waffen= und Eisenwarener¬ erzeugung gewaltig gesunken ist, doch infolge der Hieherkunft der zahlreichen Kanzleien und Beamten der Eisenbahnbe¬ triebsdirektion= und Kontrolle doch kein merkbarer Rückgang eingetreten; vielmehr sind Wohnungsnot und Lebensmittel¬ teuerung noch gesteigert, und die neuen Häuserbauten werden wohl zirka 60 neue Wohnungen, aber lauter sehr teure, schaffen. Anfangs Jänner kamen wieder zirka 20 Beamte von der Eisenbahnbetriebs¬ zentrale aus Wien hieher und schlugen gleich ihre Kanzleien im neugebauten mittleren städtischen Hause auf. Auch konstituierte sich hier durch die Protektion des Notars Fr. Kiderle mit 32 Aktionären eine eigene Steyrer¬ bank (Bank in Stadt Steyr)?) mit allen möglichen kommerziellen und industriellen Befugnissen und einem an¬ geblichen Kapital von Millionen, nachdem ohnehin erst im Dezember hier unter Teilnahme vieler hiesiger Bürger ein eigener Kreditverein, als Filiale der Allgemeinen Depositenbank in Wien er¬ richtet worden war und also künftig neben *) Direktor dieser Bank war Herr Max Feilchenfeld jetzt Ende 1914 Präsident des Verwaltungsrates der Nieder österreichischen Eskompte=Gesellschaft in Wien, einem der mächtigsten Bankinstitute Oesterreichs. Er war ein junger, tüchtiger und intelligenter Bankfachmann, übersiedelte nack Auflösung der Bank in Steyr nach Böhmen, wurde später hin Direktor der Böhmischen Eskompte=Bank in Prag und lebt nunmehr, wie früher erwähnt, in Wien. Er ist auch Dize=Präsident des Verwaltungsrates der Alpinen Montan¬ Gesellschaft und anderer Gesellschaften.

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