Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

frorenen Boden die Enns und Steyr so sehr anschwollen, daß sie fast den Stand vom 1. Jänner 1843 er reichten und daß die ungeheure Menge weggetriebenen Holzes, und besonders die weggeschwemmten Reichraminger und Losensteiner Brücken auch die mittleren drei Joche unserer, erst im Herbste mit einem Kostenaufwande von 2000 fl. re¬ parierten Neubrücke hinwegrissen und überdies auch ein Joch der schon sehr schadhaften unteren Ennsbrücke stark be¬ schädigten. Doch ist unser Hochwassen und Schaden kaum nennenswert gegen die Ueberschwemmung, welche die Donau verursachte, deren Wasser seit mehr als 100 Jahren keine solche Höhe erreichte und Ortschaften und Fluren oft stunden¬ weit durch mehrere Tage unter Wasset setzte, und wobei besonders die Stadt Wien außerordentlich gelitten hat und auch sogar der Eisenbahndamm der Westbahn bei Pöchlarn weggerissen wurde. Eine hier veranstaltete Samm¬ lung für die Verunglückten ergab 1300 Gulden Die Neubrücke, welche bisher sie¬ ben hölzerne Joche hatte, wird nun ganz neu mit nur vier solchen Jochen erbaut werden, die untere Enns¬ brücke wird ausgebessert und wurden für deren nicht fernen Neubau anstatt der gegenwärtigen vier hölzernen Joche bloß zwei steinerne Pfeiler errichtet Am 3. Februar trat ein für den ganzen hiesigen Holz= und Eisenbezirk vielleicht einflußreich werdendes Ereignis ein, indem der Fürst Gustav Lam¬ berg nach einer 30jährigen Regierung und nach bereits mehrjähriger Rücken¬ marks=Schwindsucht, nachdem er im letz¬ ten Dezember hier dem Typhus zu ent¬ fliehen glaubte, in Wien im eigenen Hause, im 50. Lebensjahre eben an in Typhus gestorben ist. Er wurde in der Familiengruft in Schichowitz Böhmen begraben. Am 10. März begann der Zimmer¬ meister Huber mit dem Bau der Neu¬ brücke. 17 In diesem Monate wird auch die neue Ramingbach=Brücke herge¬ stellt, und zwar mit einem Gitterspann¬ werke und Dache, die erste dieser Art in Oesterreich. Kosten 5000 fl. ohne den Brückenköpfen. Auch wurde in diesem Monate die Neuwahl von neun Gemeinde¬ räten, anstatt einem ausgetretenen und acht durch das Los ausgeschiedenen, vor genommen, wobei diesmal der Arma¬ turfabrikant Werndl, der Advokat Dr. J. Kompaß, k. k. Staatsanwalt Schwarz und k. k. Kreisgerichtsrat Eggendorfer gewählt wurden, Männer, welche im Vorjahre die Gemeindevorstehung, oder eigentlich der Herr Sekretär und seine Partei mit Leidenschaftlichkeit, aber un¬ kluger Weise, fernzuhalten bestrebt war wodurch sie natürlich die gesamte k. k. Beamtenschaft in das gegnerische Lager trieb. Der Herr Sekretär ist nun bereits faktisch vom Ratstische und den ge¬ meinderätlichen Komitee=Beratungen aus¬ geschlossen. Dadurch ist sein Einfluß pa¬ ralisiert, und auch der Herr Bürger¬ meister wird so arg angefeindet und öffentlich angegriffen, daß seine Stel¬ lung kaum mehr auf längere Dauer haltbar sein dürfte. Die kreisgerichtliche Unter¬ suchung gegen den Gemeinderat und Advokaten Dr. Pierer wegen Aufwiege¬ lung und Ehrenbeleidigung wird fort¬ gesetzt und hat bereits eine große Di¬ mension angenommen. Der Armaturfabrikant Josef Werndl, welcher bisher sein größtes Etablisse¬ ment zu Oberletten an der Steyr hatte, hat nun hier in Steyr die ehe¬ mals Jochersche Papiermühle Nr. 212 bei der Steyr um 25.000 fl. öst. W. angekauft, das große hölzerne Werksge¬ bäude sogleich demoliert und erbaut nun an deren Stelle eine große Waffen¬ fabrik. Am 24. April hatten der Herr Bür germeister und der Vizebürgermeister eine Audienz bei Sr. Majestät dem Kai¬ ser, um für die Gemeinde möglichst

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