Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

54 in die Schlitten, sie vorsorglich mit Decken und Pelzen vor der Kälte schützend, dann bestieg er sein Pferd. denn er selber wollte seinen Gästen ein gut Stück Weg das Geleite geben. Herzog Heinrich hatte im Namen der hohen Frauen schon gestern davon ab¬ geraten, und tat es auch jetzt wieder, allein Ottokar sagte ganz ruhig: „Ich fühle mich recht wohl und es ist meine Pflicht, daß ich meine Gäste ein Stück des Weges heimwärts ge¬ — leite seid nur ganz ruhig, lieber Herr Vetter — mir schadet nicht Wind noch Wetter, gewiß nicht!“ Und er sah Herzog Heinrich dabei so durchdringend an, daß dieser, der die letzten Worte Ottokars sofort richtig gedeutet hatte, sich abwenden mußte, denn es kitzelte ihn plötzlich so eigen in den Augenlidern. „Ich vermeinte nur so,“ sagte er dann, „seid bedankt, Herr Vetter, für eure Freundlichkeit!“ Und der Zug setzte sich auf Herzog Ottokars Zeichen in Bewegung, voran der Schlitten mit den hohen Damen, umgeben von Herzog Ottokar und Her¬ zog Heinrich, dann das Gefolge, die Damen gleichfalls in Schlitten, die Her¬ ren zu Pferde. Das kurze Stück Weg, das in der Stadt zurückzulegen war, entlang stan¬ den die Stadt Steyrer Kopf an Kopf und riefen und winkten den Scheidenden „auf Wiederseh'n“ zu, freundlich be¬ dankt von der Herzogin Helena und Prinzeß Agnes. Drüben über der Enns ging es rasch vorwärts, lustig flogen die Schlitten auf der glatten Schneefläche, welche wohltätig die schlechte Straße ebnete dahin, und die reine klare Luft wirkte belebend auf Körper und Laune. Nach etwa zwei Stunden gab man ein Zeichen und der Zug hielt. Während Herzog Ottokar sich noch in ein kurzes Gespräch mit seinen hohen Gästen einließ, ritt Herr Gerung zu einem Schlitten, in welchem Fräulein Mechthild von Weiten¬ egg mit Heilka von Haginberg saß und bei welchem Meginhalm von Schachen bemüht war, sein ungeduldiges Roß zu zügeln, um mit den Damen plaudern zu können. „Du hast ja noch Zeit bis Sankt Peter hinab zum Plaudern, lieber Meginhalm,“ sagte er etwas anzüglich, seinen Bruder ansehend, der eben sein Pferd an den Schlitten traversierte „solltest wohl die edlen Damen nicht in Gefahr bringen, mit des Pferdes Hufen Bekanntschaft zu machen!“ „Das wird gewißlich nicht geschehen, Herr Gerung,“ fiel da Fräulein Mech¬ thild rasch ein und warf einen freund¬ lichen Seitenblick auf Meginhalm, „euer Bruder, Herr Gerung, hat uns über¬ haupt noch gar viel zu sagen, sodaß der Weg bis St. Peter dazu kaum reichen wird.“ Herr Gerung hatte den Blick Mech¬ thildens auf seinen Bruder wohlgemerkt und er fragte daher: „Edles Fräulein, sagtet ihr nicht: „uns“ hat Meginhalm noch viel zu sagen?“ Fräulein Mechthild nickte. „Wie denn das?“ meinte Herr Ge¬ rung jetzt mit feinem Lächeln, „dächt ich doch, der Meginhalm hätt euch noch —.77 gar viel zu sagen — euch allein Fräulein Mechthild errötete leicht, sah Herrn Gerung fest an und erwiderte „Auch mir allein, gewiß, Herr Ge rung — aber das Wichtigste, was mir — sie betonte das der Meginhalm“ — „zu sagen hätte Wort besonders, glaub' ich, ist schon geschehen; bleibt nur noch ein fröhliches Geplauder über dies und das und da ist wohl meine Freundin, das edle Fräulein Heilke von Haginberg, dabei so recht am Platz, uns Gesellschaft zu leisten.“ „Versteh' ich recht, Fräulein Heilka?“ fragte Herr Gerung ahnungsvoll, sich an diese wendend. „Dächte es wohl, Herr Gerung, sagte diese lachend, „solltet ihr denn

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2