Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

16 gen, so oft er den Herzog besucht hat, beim Weggehen eine besorgte Miene, und ich befürchte sehr, der verbirgt uns was. Lieber Herwick, der weiß mehr um des Herzogs Leiden, als er sagen will, und Pater Erasmus ist ein geschickter Arzt.“ Der Landesmarschall nickte mit sehr nachdenklicher Miene. „Ihr mögt Recht haben,“ meinte er, sich das sehr schütter werdende Haar nach vorne gegen die Stirne streichend, meint er doch, der Pater „was Arzt?“ Herr Gerung sah bei dieser Frage eines altbewährten Freundes nach al¬ len Seiten um, wie wenn er bei dem, was er jetzt sagen wollte, keine Lauscher haben wolle, neigte sich zum Ohr des Fragers und sagte halblaut: „Er spricht sich nie klar aus, wes Art das Leiden des Herzogs ist, aber ich entsinne mich gar manch dunkler Rede von ihm. Vor ein paar Tagen meinte er, die Dinge gefallen ihm gar nicht, er sehe noch nicht ganz klar; gestern, nach dem alltäglichen Besuche, den er bei mir machte, erkundigte er sich leb¬ haft, wann der Herzog heimkehre, es sei hohe Zeit, ihn wieder in Behand¬ lung zu nehmen, und heut', als er den Herzog sah, wurde er kreidebleich und hholte so tief Atem, daß ich dachte, er sei der Kranke und nicht der Her¬ zog.“ „Ei, das ist gar schlimme Botschaft, murmelte der Landesmarschall bestürzt. Sankt Georg, es kam noch schlim¬ mer,“ erzählte Herr Gerung weiter. „Wie der Pater wegging, just nachdem der Herzog wieder so weit war, daß er sich wappnen lassen konnte, nahm mich der Pater beiseite und raunte mir ins Ohr: „Holt mich jedesmal sofort, wenn etwas los ist — jetzt muß sich's bald entscheiden, ob ich sagen soll, der Herzog soll heiraten, oder sein Testament machen!“ „Hagel alle Welt, was soll das? fuhr der Landesmarschall auf, „was ist das für ein Gefasel? Ist der Alte 7 recht bei Trost?“ Herr Gerung legte rasch die Hand auf den Arm seines Freundes, wies nach der Tür, durch die soeben sein Bruder Meginhalm mit einer jungen Dame eingetreten war, und flüsterte: „Still, Freund Herwick, ich sag euch nur, der Pater Erasmus ist ganz wohl bei Trost.“ Dann wandte er sich um und ging den Eingetretenen, die auf die beiden in so wichtigem Gespräche begriffenen Männer zuschritten, einige Schritte ent¬ gegen und grüßte die Dame mit leichter Verbeugung. „Womit kann ich dem edlen Fräu¬ lein von Weitenegg zu Diensten sein?“ fragte er mit freundlichem Lächeln, „denn ihr begehrt wohl meiner Dienste, an¬ onst euch der Meginhalm nicht zu mir griesgrämigen Alten geführt hätte?“ Die Edeldame, die so angesprochen wurde, war jung und schön und ihr Wesen, mit allem Liebreiz angetan, den ein Edelfräulein von ihrem Range und ihrer Erziehung besitzen konnte. Sie erwiderte den ritterlichen Gruß Herrn Gerungs durch leichtes Neigen ihres schönen Hauptes und sagte freundlich: „Es ist so, Herr von Schachen, daß ich eure Dienste in Anspruch nehmen muß, denn es gibt Kleinigkeiten die Menge noch zu ordnen, sollen sich die hohen Frauen, in deren Dienst ich stehe, hier so recht heimisch fühlen.“ „Dacht' ich's doch,“ meinte Herr Ge¬ rung und betrachtete mit etwas spöt¬ tischem Lächeln seinen Bruder, der seit¬ und rückwärts des Edelfräuleins stand sich kaum zu rühren traute, „wollt uns das hier an unserm frauenlosen Hofe nicht übel nehmen, wenn wir nicht alles so eingerichtet haben, wie es in den Frauengemächern Sitt' und Her¬ kommen ist — wir wollen unter eurer Anleitung natürlich, gewiß das Ver¬ säumte nachholen.

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